Kölner Aftersales Forum 2025

Die Zukunft im Aftermarket entscheidet sich im Digitalen

Kölner Aftersales Forum 2025Nach einer pandemiebedingten Pause seit 2019 kehrte das Kölner Aftersales Forum mit seiner 21. Ausgabe zurück in den Aftermarket-Veranstaltungskalender.   Foto: Kay Lehmkuhl

Der Fahrzeugbestand hierzulande ist konstant, folglich ist auch der Bedarf an Wartungs- und Reparaturaufträgen unverändert gegeben. Die nicht gerade guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen für eine Kaufzurückhaltung bei Neufahrzeugen. Dass die Autos auf deutschen Straßen in der Tendenz immer älter werden, vergrößert das Potenzial für Serviceaufträge. Gleichzeitig aber sind die Kosten für Wartung und Instandhaltung stärker gestiegen als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Die aktuellen Marktdaten lieferte zur Eröffnung des Kölner Aftersales Forums in bewährter Tradition Eckhard Brandenburg, Senior Research Consultant der Beratungsagentur BBE Automotive. Diese fusionierte in diesem Jahr mit der Wolk & Nikolic After Sales Intelligence, wie es heißt, um Kompetenzen weiter auszubauen und die Position als Anbieter von Marktanalysen und strategischer Beratung im automobilen Aftermarket zu stärken. Im Aftermarket ist eine Konsolidierung und Bündelung der Kapazitäten auf allen Ebenen zu beobachten.

50 Prozent geringere Wartungsumsätze bei BEVs

Eckhard Brandenburg referierte, dass die Zahl der veranlassten Arbeiten im Kfz-Servicegeschäft 2024 um 4,1 Prozent gestiegen ist. Dabei wird das Elektromobilitäts-Segment immer sichtbarer auf Serviceebene. Die Hybrid- und Elektrofahrzeuge hatten 2024 einen Anteil von 10,56 Prozent am Gesamtfahrzeugbestand. Über alle Produktgruppen hinweg ist zu beobachten, dass die Lebens- und Nutzungsdauer steigt: Das durchschnittliche Fahrzeugalter lag im abgelaufenen Jahr bei 10,6 Jahren. Laut Brandenburg wird die Lebens- und Nutzungsdauer von Fahrzeugen in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Als Gründe hierfür benennt er den technischen Fortschritt und die steigende Fahrzeugqualität, sinkende Fahrleistungen und ein verändertes Kundenverhalten. Seine Ausführungen zum Bereich Elektromobilität ließen erahnen, dass ein entscheidender Kipppunkt in der Marktdurchdringung bevorsteht – trotz des Absatzrückgangs wurde die Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut: “Zum 1. Dezember 2024 waren in Deutschland 154.037 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Betrieb, ein Anstieg von über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr”, so Brandenburg zum oftmals formulierten zentralen Hemmnis beim Hochlauf der Elektromobilität. Die deutschen OEMs hätten sich zudem zu den führenden Anbietern bei den BEV-Neuzulassungen entwickelt. Der BBE-Analyst erläuterte allerdings auch, dass rein Batterie-elektrisch angetriebene Fahrzeuge im Vergleich zu Verbrennern rund 50 Prozent geringere Wartungsumsätze haben. Werkstätten müssen perspektivisch mit längeren Wartungsintervallen, kleineren Wartungsumfängen sowie einem geringeren Teilebedarf umgehen. Ein weiterer sich abzeichnender Trend ist, dass mit dem Rückgang des Privatbesitzes, Flottenbetreiber als Intermediäre an Bedeutung gewinnen, die Einfluss auf die verwendeten Teile, Preise und den Wartungs- und Reparaturort nehmen. 

Eckhard Brandenburg, Wolk & Nikolic
Eckhard Brandenburg von der Wolk & Nikolic Aftersales Intelligence GmbH eröffnete das Aftersales Forum mit einer Marktanalyse. Foto: Kay Lehmkuhl

Teile-Marktvolumen von 25,96 Milliarden Euro

Im Jahr 2024 ist das Teilevolumen auf der Wertebene erneut gewachsen – es lag für Ersatz- und Verschleißteile in Deutschland bei 14,18 Milliarden Euro. Das Teile-Marktvolumen insgesamt umfasste laut Brandenburg 25,96 Milliarden Euro. Nach Produktgruppen aufgeschlüsselt sehen die weiteren Anteile so aus: Reifen 4,80 Milliarden Euro, Autochemie 4,03 Milliarden Euro und Zubehör 2,94 Milliarden Euro. Der Marktanteil der freien Werkstätten an den Wartungs- und Reparaturarbeiten ist seit 2019 kontinuierlich von 47 Prozent auf 51 Prozent in 2024 gestiegen, während der Anteil der Markenwerkstätten nach Angaben des Aftermarket-Experten nahezu konstant bei rund 43 Prozent verbleibt. Wartungsarbeiten teilen sich dabei fast hälftig auf Markenwerkstätten (47 Prozent) und freie Betriebe (48 Prozent) auf, während die Mehrheit der Reparaturarbeiten (57 Prozent) auf freie Betriebe entfallen und nur 35 Prozent auf die Markenwerkstätten. Es ist eine Auflösung der klassischen Markttrennung im Aftersales-Geschäft zu beobachten.  

Das Kölner Aftersales Forum eröffnete über das Themenprogramm eine umfassende Perspektive auf den Aftermarket. Einordnende Marktanalyse-Daten, ein Beitrag zur Entwicklung des europäischen Aftermarkets aus der Perspektive des Großhandels und wie sich Distributoren an tiefgreifende Veränderungen angepasst haben (Fotios Katsardis, Temot International Autoparts GmbH), die Ausführungen von Raik Rudat von der MG Motor Deutschland GmbH zu Aftersalesstrategien der Automobilhersteller sowie Vorträge zum Automatisiertes Fahren (Prof. Dr. Adrian Zlocki, fka GmbH) und zum Einfluss von KI auf das automobile Aftersales-Geschäft (Prof. Dr. Patrick Tichelmann, TH Köln/Detection X GmbH) weiteten das Verständnis. Besonders auch die Bedeutung von Onlineanbietern im Servicemarkt wurde entsprechend der wachsenden Bedeutung ausgiebig thematisiert. Diese diversifizieren sich in immer stärkerem Maße, wodurch sich die Preistransparenz im Servicemarkt weiter erhöht. Zweistellige Wachstumsraten sind im Onlinegeschäft in Deutschland und Europa Normalität. Michael Saitow lieferte als CEO der Alzura AG in gewohnter Weise kernige Aussagen zu dem von Marktplayern und Servicebetrieben noch immer nicht verinnerlichten Chancenpotenzial der E-Commerce-Kanäle. Saitow illustrierte die rasante Beschleunigung in der Plattformentwicklung und die Auswirkungen auf etablierte Marktplayer aus IAM und OEM. Preistransparenz, Sortimentstiefe und schnelle Verfügbarkeit – der Onlinehandel macht eigentlich alles im Aftermarket-Geschäft komfortabler. “Wer Beschaffung verlangsamt, verbrennt Marge”, so Saitows Statement zur vielfach immer noch ausgeprägten digitalen Trägheit im Servicegeschäft. 

Michael Saitow_Aftersales Forum
“Wer Beschaffung verlangsamt, verbrennt Marge”, sagt Michael Saitow, CEO der Alzura AG. Foto: Wolk & Nikolic

Teileportale und Online-Marktplätze erweitern die Zukunftsperspektive im Automobilen Aftermarket. Werkstätten verlangen nach integrierten, digitalen Lösungen zur Warenbeschaffung. Aus Michael Saitows Sicht als E-Commercer sind die Themen Plattformökonomie und Usability zentrale Erfolgsparameter des Alzura-Angebots. Alzura.tyre24.com entfaltet als "One-Stop-Marktplatz" im Aftermarket seine volle Kraft. Zuletzt wurden auch Akquisitionen im Bereich gebrauchter Ersatzteile getätigt. Die stetige Erweiterung in neue Segmente geschieht immer vor dem strategischen Hintergrund einer gut gebauten Plattformökonomie. Und die digitalen Player sind die entscheidenden Impulsgeber für das Geschäft der Zukunft. Laut Saitow werden unabhängige Plattformen die Entwicklung des Aftermarkets diktieren – weil sie die kundenfokussierte Adressierung am besten beherrschen. Das diesjährige Kölner Aftersales Forum schärfte das Bewusstsein für die maßgeblichen Trends im Aftermarket: Der Zugang und die stärkere Vernetzung von Daten, die Automatisierung von Prozessen und eine gedankliche Schnelligkeit bilden das Grundgerüst für zukünftigen Erfolg. Die Grenzen zwischen B2B und B2C verwischen immer mehr – besonders, wenn es um den Faktor Komfort geht. Im Werkstattalltag bleibt natürlich das Persönliche wesentlich. Allerdings bringt es Michael Saitow auf den Punkt: “Wer heute ‘Tresen-First’ denkt, plant den Rückzug statt Angriff”. Die Zukunft im Aftermarket entscheidet sich im Digitalen. 

Temot-CEO Fotios Katsardis
Berichtete aus der Perspektive des Großhandels: Temot-CEO Fotios Katsardis. Foto: Kay Lehmkuhl

Frank Töbes & Hadia Gouider, NRF
Michael Borgert_BBE
Kölner_Aftersales Forum_Teilnehmer
Prof. Dr. Adrian Zlocki, fka GmbH
Prof. Dr. Patrick Tichelmann, TH Köln
Raik Rudat_MG Motor Deutschland GmbH
Kölner_Aftersales Forum2025_Teilnehmer

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