Aufbruch- oder Alarmsignal?

IAA Mobility meldet “Rekord-Internationalität”

IAA_Mobility_MünchenDie IAA Mobility will Innovationen greifbar und erlebbar machen.   Foto: VDA/IAA Mobility

Mobilität ganzheitlich zu denken, ist heute eine Unbedingtheit. Es gibt eine Vielzahl an Fortbewegungsmitteln, mit denen es sich vortrefflich ans Ziel kommen lässt. Das Auto hat seinen Reiz und Nutzen trotz aller Abgesänge aber nicht verloren. Und mittlerweile baut die Autoindustrie tatsächlich auch Fahrzeugeinheiten, die nicht nur auf Margen-Maximierung und Prestige ausgerichtet sind. Neue Player haben den Markt belebt, Elektromobilität massentauglich gemacht und die etablierten Automobilhersteller zu einer großen Anpassungsleistung gezwungen. Ein durchaus schmerzhafter Prozess für die einstigen Platzhirsche. Die Produktstrategien besonders der Premium-Hersteller hatten über viele Jahrzehnte hohe Gewinne abgeworfen – aber sie waren auch Ausdruck einer Hybris, die mit dem Aufkommen agiler neuer Marken zunehmend problematische Ausformungen erhielt. In rasanter Weise haben sich die Vorstellungen und Bedürfnisse der Menschen im Individualverkehr gewandelt – dies sieht man besonders im bedeutendsten Wachstumsmarkt, in China. Wer zu den tonangebenden Automobilbauern der Zukunft gehören möchte, muss eine neue Balance und Agilität im Verhältnis zwischen Marktverständnis, Design, Technologie und Software, Strategie und Produktionssteuerung finden. Und dies soll die IAA Mobility abbilden – über das Auto hinaus. 

Über die Erweiterung der Konzeption der IAA wurde vielfach diskutiert. Im Detail auch über die Entkernung der Marke IAA und die Bedeutungseinbußen des Automobils. Wie flexibel und adaptionsfähig Player der Mobilität sein müssen, zeigte die diesjährige Auto Shanghai. Dort waren die bestimmenden Trends und Produktneuheiten der Neuen Mobilität ausgestellt. Und es war deutlich zu erkennen, dass die Strategie „Local for Local“ zunehmend zur Maxime für Autohersteller und Zulieferer wird. Die IAA Mobility kreist nicht monothematisch um das Auto. Die Messe hat nach ihrem Umzug von Frankfurt nach München und der Öffnung für einen erweiterten Mobilitätsbegriff noch keine klare Identität herausbilden können. Die bevorstehende Ausgabe soll das Bild der Plattform IAA nachschärfen – und in einem wirtschaftlich und geopolitisch bewegten Jahr ein kraftvolles Signal des Aufbruchs, der wirtschaftlichen Stärke, Innovationskraft und Leidenschaft senden, so formulieren es der Verband der Automobilindustrie e.V.  und die Messe München gemeinschaftlich. 

Vom 9. bis zum 14. September soll München zum globalen Zentrum für die Zukunft der Mobilität werden. Die gesamte Bandbreite der Mobilitätsbranche – von Automobilherstellern und -zulieferern über Tech-Giganten bis zu Cycling-Unternehmen, Start-ups und ÖPNV-Anbietern – soll die IAA Mobility auf die Bühne heben. Hildegard Müller spricht als Präsidentin des VDA in erster Linie für die Automobilindustrie, wenn sie sagt: „Die IAA Mobility ist das globale Aushängeschild unserer Industrie. Einer Industrie, die mit ihrer Arbeit Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze schafft – in Deutschland und in der ganzen Welt.“ Müller machte in einer Pressekonferenz aber auch deutlich, dass gerade das Miteinander der Verkehrsmittel, der vernetzte Ansatz, für den die IAA Mobility stehe, entscheidend sei: „Mobilität ist ein zentraler Faktor für Wachstum – egal, wo auf der Welt. Mobilität – und die damit verbundenen Optionen – sind nicht nur für jeden Einzelnen mit mehr Freiheiten verbunden: Wo Mobilität klug organisiert wird, entstehen neue Perspektiven, werden Gesellschaften innovativer und unterschiedliche Menschen werden zusammengeführt.“

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VDA-Präsidentin Hildegard Müller will Enthusiasmus entfachen. Foto: VDA/IAA Mobility

Mit hohen Erwartungen blicken auch Stefan Rummel und Dr. Reinhard Pfeiffer als Geschäftsführer der Messe München auf die Messe im September: „Die IAA Mobility reiht sich hervorragend in unser Megamessejahr 2025 ein. Sie bringt Menschen aus aller Welt auf dem Messegelände und in der Münchner Innenstadt auf dem Open Space zusammen. Aus dem Nebeneinander verschiedener Fortbewegungsarten wird ein inspirierendes Miteinander zukunftsweisender Mobilitätslösungen. Eine weitere Bereicherung ist das Festival of Lights München, das die Besucher begeistern wird. Gleichzeitig schafft die IAA Mobility einen enormen wirtschaftlichen Mehrwert. Wir rechnen mit einer regionalen Wertschöpfung in dreistelliger Millionenhöhe.“ An Selbstbewusstsein mangelt es in der Bayerischen Hauptstadt bekanntlich nicht gerade. Dass nun aber wohl final geliefert werden muss, dürfte den Messe-Verantwortlichen klar sein. Darüber, dass die Messe 2027 vielleicht gar nach Frankfurt zurückkehrt, spekuliert die FAZ in lokal gefärbter Verpflichtung. Die Besucherzahlen sind in München aber tatsächlich nie auf das Niveau aus alten Frankfurter Zeiten gelangt. Dies soll sich 2025 ändern. 

Die Präsentation der Messeschwerpunkte durch die VDA-Präsidentin versprühte allerdings nur mäßigen Esprit. Hildegard Müller bemühte mal wieder das Bild "Leistungsshow der Innovationen" – die sie trotz des internationalen Anspruchs der Messe aber wohl vornehmlich mit der deutschen Automobilindustrie assoziiert sieht. „Wenn Menschen auf der Welt an Deutschland denken, dann denken sie auch an unsere Autos – unsere Marken haben Strahlkraft in die ganze Welt, stehen für höchste Ingenieurskunst, für höchste Qualität, für Einzigartigkeit. Wir erfinden uns immer wieder neu, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beeindrucken mit ihrer Leidenschaft. Wir sind weltweit der zweitgrößte Produktionsstandort für E-Autos, 7 von 10 in Deutschland verkauften E-Autos stammen von deutschen Herstellern, in Europa ist es jedes zweite E-Auto. Das Vertrauen in unsere Industrie, in höchste Standards bei Sicherheit, ist auf der ganzen Welt gefragt. Darauf können und sollten wir auch hierzulande stolz sein. Diese Identifikation mit unserer Schlüsselindustrie schafft auch Zusammenhalt und das gemeinsame Interesse, den Wohlstand und die Arbeitsplätze, die wir schaffen, zu erhalten“, so Müller. In der Fortführung ihres Appells an den Spirit hierzulande sagt sie: „Daraus kann ein neues Selbstbewusstsein entstehen. Ein Selbstbewusstsein, das letztlich auch jeden Einzelnen motiviert, die Extra-Meile zu gehen. Weil man es gerne möchte, weil man stolz ist, auf das was gemeinsam zu erreichen ist – und auf die Industrie, für die man arbeitet.“ Angesichts der Tatsache, dass allein beim größten deutschen Automobilbauer Volkswagen wahrscheinlich fast jede vierte Stelle in Deutschland bis 2030 gestrichen werden soll, entwickelt der Motivationsversuch der obersten Auto-Lobbyistin nur wenig Strahlkraft. 

Trotz all der Transformationsbewegungen in der Mobilitätsbranche stimmen die Kennziffern zur IAA Mobility 2025 die Veranstalter optimistisch. Der Stand der Flächenbuchungen übertreffe bereits den der Vorveranstaltung zum Vergleichszeitpunkt. Die Internationalität nehme zu. Über die Hälfte der Aussteller kommen aus dem Ausland, was eine Steigerung gegenüber der letzten Ausgabe um 5 Prozent bedeutet. Aufgrund dieses Plus fühlen sich Messegesellschaft und VDA dazu berufen, eine “Rekord-Internationalität” zu verkünden. Vornehmlich die hungrigen chinesischen Akteure buchen mehr Fläche – mit der Anzahl von 103 Ausstellern haben diese das Endergebnis aus 2023 (75 Aussteller) um 37 Prozent bereits überschritten. Das Ausstellerverzeichnis zeigt also deutlich die Stärke und den Hunger der chinesischen Hersteller. 54 Prozent der angemeldeten Aussteller kommen aus dem Ausland, allein 68 Prozent davon aus China. Von den deutschen Premium-Marken haben bisher Audi, die BMW Group, Mercedes-Benz, Porsche und die Volkswagen Group Präsenzen gebucht. Auf Seiten der angeschlagenen Zulieferindustrie haben unter anderem Bosch, Continental, Mahle, Schaeffler, Valeo und die ZF Group zugesagt. Vom 9. bis zum 14. September wird sich zeigen, wie viel Enthusiasmus gerechtfertigt war. Am Ende entscheiden nicht nur Aussteller-Quantität und -Qualität, sondern das Interesse der Öffentlichkeit und die Besucherzahlen über den Fortbestand der IAA Mobility in München. 

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