„Zukunft nachhaltig gestalten” lautete das Motto, unter das die BRV-Verantwortlichen die diesjährige Mitgliederversammlung stellten. In Anbetracht „vieler Unbekannter”, die eben diese Zukunft laut dem BRV-Vorsitzenden Stephan Helm bereithält, gewinnen die beiden anderen Bestandteile des Mottos umso mehr an Bedeutung. Dass sich der Gedanke der Nachhaltigkeit dabei insbesondere auf die wachsende Anzahl „grüner” Lösungen im Markt bezieht, liegt auf der Hand. Wie der Begriff jedoch auch in anderen Bereichen Bedeutung erlangen kann und im Sinne von Kontinuität und einer langfristigen Perspektive zu verstehen ist, wurde im Rahmen der BRV-Versammlung jedoch ebenfalls an verschiedenen Stellen sichtbar. Gleiches gilt für den Akt des Gestaltens, der den versammelten Unternehmerinnen und Unternehmern aus ihrer täglichen Arbeit vertraut sein dürfte. Ungeachtet der vielfältigen Herausforderungen und ihrer Stand heute kaum zu bemessenden Auswirkungen gestalterisch tätig zu werden – und damit eine aktive Rolle einzunehmen, um den eigenen Betrieb durch diese Zeit zu führen – war eine der zentralen Botschaften der Verbandsspitze an die anwesenden Mitglieder.
Dass er sich in dieser Hinsicht jedoch auch Impulse von der neuen Bundesregierung erwartet, machte Stephan Helm in seinem Eingangsstatement deutlich. „Wir leben nicht von der Ankündigung, sondern von der Tat”, betonte der BRV-Vorsitzende mit Blick auf die im Koalitionsvertrag aufgeführten Maßnahmen zur Situation der heimischen Wirtschaft. Nach einem „unerwartet guten Jahr mit einem starken vierten Quartal” wären wirtschaftspolitische Anreize für das laufende Geschäftsjahr nur allzu willkommen. Das vor allem von All-Season-Profilen getriebene Absatzwachstum im Ersatzmarkt im Consumer-Segment dürfte sich dieses Jahr nicht wiederholen. Und auch im Commercial-Bereich, der 2024 immerhin ein moderates Plus von ca. 1,5 Prozent verzeichnete, sind laut BRV kaum nennenswerte Zuwächse zu erwarten. „Mit einem konstanten Jahr wäre ich absolut zufrieden”, brachte Stephan Helm die Jahresaussichten auf den Punkt.
Positiver fiel derweil der Rückblick auf den BRV-Jahresbetriebsvergleich für 2024 aus. Sowohl Umsätze (+5,9 Prozent) als auch die Roherträge (+9,6 Prozent) legten zu, wobei letztere damit die abermals gestiegenen Personalkosten (+8,3 Prozent) übertrafen. Nicht nur ob dieser Basis unterstrich Stephan Helm auch: „Ich sehe mehr Potential, als Dinge vor denen Angst da ist.” Ein ähnliches Bild ergaben auch die Ausführungen von BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin, der über notwendige Formalien sowie finanzielle Belange des Verbandes referierte. Die wenigen leeren Plätze im Würzburger Maritim Hotel und die entsprechend große Anzahl an Anwesenden wertete er als „Ausdruck der Wertschätzung der Verbandsarbeit”. Mit der Genehmigung des Jahresabschlusses 2024 und des Haushaltsplans für das Jahr 2025 sowie der Entlastung des Vorstands für das vergangene Jahr wurde der Eindruck auch bei den Abstimmungen im Plenum bestätigt.
Den Nachwuchs und The Tire Cologne im Blick
Zentrales Thema für den BRV, die Branche und nahezu alle handwerklichen Berufe bleibt der Nachwuchsbereich. Zwar ist die Zahl der Auszubildenden innerhalb des BRV in den letzten Jahren weniger stark zurückgegangen – und zuletzt vielmehr gar gestiegen – als vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) branchenübergreifend ermittelt, doch die Suche nach Nachwuchskräften gestaltet sich weiter schwierig. Umso wichtiger sind in diesem Zuge Initiativen wie der BRV-Ausbildungs-Award, der auch in diesem Jahr wieder vergeben wurde. Cindy Wladimir (Kauffrau für Büromanagement) von der Schäfer Reifenfachhandel GmbH in Kenn bei Trier sicherte sich dabei Rang 1 vor Sarah Pahl (Mechanikerin für Reifen- und Vulkanisationstechnik in der Fachrichtung Reifen- und Fahrwerktechnik) von der Reifen Helm GmbH in Winsen an der Luhe und Johannes Müller (Kfz-Mechatroniker mit Schwerpunkt Pkw-Technik) von der Euromaster GmbH in Neustrelitz. „Mit ihren ganz verschiedenen Werdegängen und Berufen stehen die Gewinner/innen unseres Ausbildungswettbewerbs in diesem Jahr besonders für die Bandbreite der beruflichen Möglichkeiten in der Reifenbranche. Alle drei verbindet sowohl ihre Zielstrebigkeit als auch die Freude am Beruf“, so Stephan Helm anlässlich der Preisverleihung.
Die nächste BRV-Versammlung wird wieder im Vorfeld von The Tire Cologne stattfinden, die vom 9. bis 11. Juni 2026 angesetzt ist. Einen Ausblick auf dieses Event gab in Würzburg TTC-Director Ingo Riedeberger, der den Händlerinnen und Händlern insbesondere den neuen Messebaustein „Walk of Services” näherbrachte. Die von Riedeberger bilanzierte „gute Resonanz” für das neue Angebot darf mit Blick auf den aktuellen Buchungsstand auch der TTC insgesamt bescheinigt werden: Knapp ein Jahr vor der Messe sind bereits rund 70 Prozent der Ausstellungsfläche belegt. Analog zum Motto der BRV-Mitgliederversammlung wollen die TTC-Verantwortlichen im kommenden Jahr die „Kreislaufwirtschaft noch ganzheitlicher darstellen”. Noch mehr Raum als bei der 2024er-Ausgabe erhält der Themenbereich unter anderem durch das Future Tire Lab, das von Materiallieferanten, Akteuren der Reifenindustrie sowie verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen bespielt werden soll.
Fachvorträge zu CSRD, FAS und Elektromobilität
Den im Veranstaltungsmotto implizierten Gestaltungs- respektive Handlungsaufruf griff Keynote-Speaker Markus Gürne in seinem Vortrag auf. Der Ressortleiter der ARD-Finanzredaktion umriss die geo- und finanzpolitischen sowie wirtschaftlichen Realitäten unserer Welt, um anschließend auf die Perspektive für Europa und für Deutschland einzugehen. Um die sich bietenden Chancen auf dem Feld einer Kombination von Ökologie und Ökonomie zu nutzen, sei mehr und gezielteres Engagement seitens der Politik vonnöten.
„Ausflüge” in die Welt der Politik unternahmen im Rahmen ihrer Vorträge auch BRV-Technik-Geschäftsführer Michael Schwämmlein sowie Ute Pesch vom ZDH, die verschiedene Punkte aufgriffen, die Servicebetriebe in der nahen Zukunft beschäftigen dürften. So sprach Michael Schwämmlein unter anderem über die jüngste Novellierung der StVZO sowie über den Übergang vom Teilegutachten zur Teiletypgenehmigung. Weiterhin aktiv ist der BRV-Technik-Geschäftsführer zudem in der Frage des Labellings von runderneuerten Lkw- und Busreifen und den dazugehörigen EU-Taxonomie-Vorgaben. Ute Pesch wiederum widmete sich der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und dem damit verbundenen Aufwand für Handwerksbetriebe. Oftmals nicht unmittelbar selbst betroffen, müssen zahlreiche KMU als Geschäftspartner von größeren Akteuren sowie gegenüber Banken und Versicherungen mitunter dennoch entsprechende Angaben machen.
Deutlicher praxisbezogener waren schließlich noch die Themenfelder, die Helge Kiebach und Michael Dittmar abschließend für die BRV-Mitglieder beleuchteten. Als Geschäftsführer der KTI GmbH & Co. KG nahm Helge Kiebach die zunehmende Anzahl an Fahrerassistenzsystem (FAS) und deren Handling in den Blick. Sein wichtigster Tipp für die Kalibrierung der Systeme ist die entsprechende Qualifikation des eigenen Personals, um derartige Arbeiten korrekt durchführen zu können. Schulungsbedarf besteht derweil weiterhin auch bei der Elektromobilität, dem Themenblock, über den Michael Dittmar von Dittmar & Stachowiak die Anwesenden informierte. Dittmar berichtete von seinen Erfahrungen mit Stromern und wie er seinen Betrieb in diesem Zukunftsfeld als kompetente Anlaufstelle positioniert. Welche Potenziale die E-Mobilität Werkstätten bietet, haben wir erst kürzlich in einer Podcast-Episode mit Patrick Stüdemann von der Meyle AG besprochen. Klar ist auf jeden Fall: Nicht nur mit Blick auf den Wandel in der Mobilität bleibt der gemeinsame Austausch in der Branche im Rahmen von Formaten wie der BRV-Mitgliederversammlung essenziell.
Von der Stimmung im Reifenfachhandel und unseren Eindrücken der BRV-Mitgliederversammlung berichten wir auch in unserer aktuellen Podcast-Episode #84. Hört gerne rein!