Finanzierungsprobleme bei Zulieferern

VDA fordert Banken zu “differenzierterer Betrachtung des Automotive-Sektors” auf

FinanzenFür mittelständische Automobilzulieferer wird es immer schwieriger, Kredite zu bekommen.  Foto: ipopba - stock.adobe.com

„Die nächste Hürde: Wie finanzieren Automobilzulieferer die Transformation?“ lautet der Titel einer Untersuchung der Strategieberatung Oliver Wyman im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Eine einfache Antwort erlaubt die Frage nicht, zu komplex ist die zugrundeliegende Thematik. Klar ist jedoch: Für viele Zulieferer wird die Finanzierung immer mehr zum Problem. Zwei Drittel der befragten Unternehmen berichten von erschwerten oder deutlich erschwerten Zugängen zu Bankfinanzierungen in den vergangenen drei Jahren. 

Vor allem die gestiegenen Zinsen belasten die Betriebe (88 Prozent). Zu schaffen macht den Unternehmen ferner, dass Banken umfangreichere Sicherheiten fordern (49 Prozent), bei den Vertragsbedingungen (Covenants) strengere Maßstäbe anlegen (45 Prozent) und die Laufzeiten von Krediten verkürzen (36 Prozent).„Der Anstieg der Finanzierungskosten trifft die Automobilzulieferer zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt“, bilanziert Dr. Maximilian Majic, Partner und Teil der Practice Restrukturierung der Strategieberatung Oliver Wyman. Denn: „Besonders die Transformation zur Elektromobilität erhöht den Kapitalbedarf massiv“, so der Experte. 

Zahl der Insolvenzen könnte steigen 

Für die Studie wurden insgesamt 74 hiesige Automobilzulieferer befragt. Und die berichten zudem von einem wachsenden Pessimismus: Acht von zehn Befragten gaben an, dass sich die Stimmung in ihrem Unternehmen im Laufe des vergangenen Jahres verschlechtert hat. Die aktuelle Stimmungslage bewerten 90 Prozent als negativ oder äußerst negativ. Mitursächlich dafür ist auch eine rückläufige (43 Prozent) oder stagnierende (21 Prozent) Profitabilität. 

Die ernüchternden Ergebnisse alarmieren den VDA. „Die Lage in der Automobilzuliefererindustrie ist höchst angespannt“, betont VDA-Geschäftsführer Andreas Rade. „Die Zulieferindustrie und insbesondere die zahlreichen mittelständischen Unternehmen sind ein zentraler Faktor für eine erfolgreiche Transformation. In der Automobilzuliefererindustrie in Deutschland sind etwa 270.000 Menschen beschäftigt. Zudem wird eine Vielzahl der Innovationen und technologischen Fortschritte in der Automobilindustrie durch mittelständische Zulieferindustrie getrieben. Ein Rückgang der Produktion der Automobilzulieferer oder eine übermäßige Verlagerung ins Ausland hätte signifikante Auswirkungen auf den Standort Deutschland.“ Gerade kleinere Unternehmen sowie solche, die sich im Besitz von Finanzinvestoren befinden und deshalb einen hohen Verschuldungsgrad aufweisen, sind von den aktuellen Entwicklungen offenbar besonders betroffen. „Die steigenden Kreditkosten verschärfen die wachsenden finanziellen Engpässe. Es droht eine Zunahme der Insolvenzen im ohnehin krisengeschüttelten Automotive-Sektor”, befürchtet Dr. Maximilian Majic.

Darüber hinaus zeigt die Umfrage, dass sich das Verhältnis zwischen Banken und Automobilzulieferern verschlechtert hat. „Einige Unternehmen bemängeln fehlendes Vertrauen der Finanzierer oder berichten gar von einem Rückzug ihrer Hausbank“, so Majic. Der Strategie-Experte bemängelt fehlendes Verständnis für den Automotive-Sektor aufseiten der Kreditinstitute: „Es wird zu viel über einen Kamm geschoren. Doch es gibt nicht den einen Zulieferer – eine Differenzierung ist wichtig.“ Dies gelte umso mehr, da die Experten eine weitere Verschärfung der Kreditvergabe durch die verstärkte Anwendung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) erwarten.

Alternative Finanzierungsmodelle denkbar 

Mit Blick auf die Studie rät Majic: “Eine zukunftsfähige und langfristige Strategie, die auch in zehn Jahren im Kern noch Bestand hat, ist das Fundament für eine erfolgreiche Finanzierung. Ich gehe davon aus, dass die Zulieferer ihr Portfolio konsequent optimieren und sich von unprofitablen Produkten verabschieden müssen.” Auch die Zulieferer selbst sehen darin offenbar die richtigen Schritte. Die eigene strategische Ausrichtung (76 Prozent) sowie die Einhaltung von Finanzkennzahlen (72 Prozent) werden als wichtigste Kriterien genannt, um eine Bankfinanzierung zu erhalten. In diesem Zuge verweist Oliver Wyman auch auf neue Optionen am Kapitalmarkt wie Unternehmensanleihen oder Darlehensfonds (Debt Funds). „Es bestehen Alternativen außerhalb der traditionellen deutschen Bankenlandschaft“, versichert Majic. 

Weitere Vorschläge zur Schließung der Finanzierungslücke macht der VDA in einem aktuellen Positionspapier. Diese richten sich sowohl an die Zulieferer selbst als auch an Banken und Sparkassen. Letztere sollten “die Transformation im automobilen Mittelstand partnerschaftlich fördern”. Darüber hinaus sieht der Verband auch die Politik gefordert, Belastungsfaktoren für die mittelständischen Unternehmen zu reduzieren. „Die mittelständischen Zulieferer müssen die Transformation weiter vorantreiben, ihre Strukturen den veränderten Finanzierungsbedingungen anpassen und ihre Finanzierungsquellen diversifizieren. Darüber hinaus sind dringend auch politische Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene sowie die notwendigen strukturpolitischen Instrumente erforderlich, um den Wandel in der Automobilindustrie zu unterstützen. Dafür machen wir mit unserem Positionspapier konkrete Vorschläge“, fasst Andreas Rade zusammen.

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