Zwischen Altöl und Nachhaltigkeit

Wie Christian Ohm Motuls „Grünes Dach“ optimieren will

Christian OhmChristian Ohm ist seit Januar 2025 für Nachhaltigkeitsfragen bei Motul zuständig.  Foto: Motul

Nebenbei ist er als Betreiber von Sneakers Unplugged, einem Omni-Channel-Shop für nachhaltige Sneaker, im Handel tätig. Wir fragten ihn zu Unterschieden und Überschneidungen der Branchen und dazu, wie die Begriffe Nachhaltigkeit und Motorenöle in einem Atemzug genannt werden können.

Herr Ohm, Sie sind jetzt seit einem halben Jahr bei Motul mit dem Thema Nachhaltigkeit betraut. Welche Möglichkeiten der Nachhaltigkeit gibt es denn überhaupt im Bereich Schmierstoffe?

Christian Ohm: Zum einen gibt es bei den Produkten die Möglichkeit, mit recyceltem Altöl oder Rezyklaten zu arbeiten. Zum anderen gibt es den Aspekt der Art der Produktion, und zum Beispiel die Frage, ob an den Produktionsstandorten Umweltmanagementsysteme bestehen. Und dann geht es aber auch – und das trifft vor allem meinen Bereich in puncto Nachhaltigkeit – um den Handel. Einzigartig für Motul ist, dass wir seit mittlerweile 30 Jahren ein Umweltmanagement- und Entsorgungskonzept für Kfz-Werkstätten etabliert haben. Meine Aufgabe ist es nun, diesen Bereich wieder neu zu strukturieren, konzeptionell zukunftsfähig aufzustellen, zu digitalisieren und zu automatisieren. Ein vergleichbares Konzept ist eigentlich bei keinem Schmierstoff/Motorenölhersteller in der Branche bekannt. Das „Grüne Dach“ nennt sich das und hat bei Werkstätten einen ziemlich guten Ruf.

Was genau sind die Widrigkeiten, mit denen Werkstätten zu kämpfen haben?

Christian Ohm: Es kommt zum Beispiel vor, dass eine Berufsgenossenschaft bei den Werkstätten vor Ort ist und Themen entdeckt, über die der Inhaber eines oftmals kleinen Betriebs mit weniger als zehn Mitarbeitern nicht so recht Bescheid weiß. Dann können sie auf uns zählen, und wir helfen ihnen mit Beratung, beispielsweise im Schriftverkehr mit den Behörden. Darüber hinaus können unsere Werkstattpartner ihre Entsorgungsanfragen bezüglich Altöl, Altreifen, Karosserieteilen etc. über unsere Partner durchführen lassen. Zusätzlich helfen wir unseren Kunden und Werkstätten bei Problemen oder Anfragen in den Bereichen Arbeitssicherheit, Umgang mit Gefahrgut, Lagerung oder Umweltauflagen. Da gibt es für Werkstätten sehr viel zu beachten, vor allem wenn man in der Nähe von Gewässern angesiedelt ist. Wir versuchen bei dem Dickicht an Vorschriften und gesetzlichen Vorgaben, der einfach schwer zu verstehen ist, ein Partner zu sein und den Werkstätten zu helfen. Das ist Teil unseres Premiumanspruchs.

Wie wichtig ist den Werkstätten selbst denn überhaupt das Thema Nachhaltigkeit?

Christian Ohm: Das ist tatsächlich sehr unterschiedlich und im Prinzip wie überall: Solange die Nachhaltigkeit nicht viel Geld kostet und einfach zu gestalten ist, findet sie jeder gut. Schwierig wird es – und das gilt für alle Branchen –, wenn es mehr kostet oder Probleme verursacht. Grundsätzlich sind die Werkstätten und Werkstattleiter natürlich alle für Nachhaltigkeit. Da gibt es niemanden, den das Thema nicht interessiert. Die wissen natürlich, mit welchen Stoffen und Materialien sie umgehen und dass die potenziell umweltschädlich sind, wenn sie nicht fachgerecht entsorgt werden. Allerdings darf es eben auch nicht viel mehr kosten. Ich denke aber, dass es den Inhabern und vor allen Dingen den Jüngeren, die nachfolgen, ein wichtiges Anliegen ist.

Wie passen denn die Auflagen, die Werkstätten dahingehend beachten müssen, mit der Realität oder der Lebenswirklichkeit der Werkstätten zusammen? Sind da noch Nachjustierungen nötig?

Christian Ohm: Es gibt schon sehr, sehr viele Vorschriften, für einige Werkstätten auch zu viele. Je kleiner ein Betrieb ist, desto schwieriger wird die Umsetzung. In jeder Branche gibt es natürlich vorbildliche Betriebe, die aber auch die Mittel und Möglichkeiten dazu haben, voranzuschreiten. Aber es gibt eben auch viele kleine Unternehmen, die schlicht nicht die Zeit oder Ressourcen dafür haben. Und die Realität ist eben heutzutage, dass es generell der Automobilbranche nicht so gut geht und sie sich im Wandel befindet, das schlägt sich mittlerweile auch auf die Kfz-Betriebe nieder. Und dabei gehört es zur Realität, dass die Menschen in den Betrieben einfach viel arbeiten und ihre Familien schützen müssen. Da kann ein Thema wie Nachhaltigkeit schon mal in den Hintergrund geraten.

Sie fungieren also als eine Art Vermittler zwischen Auflagen und Werkstätten und recyceln und entsorgen nicht selbst, richtig?

Christian Ohm: Genau, wir entsorgen nicht selber. Wir haben einen starken Partner, über den wir entsorgen und wir haben Partner, die die Arbeitssicherheits- und die Gefährdungsbeurteilung vor Ort mittels Begehung durchführen. Wir sind Vermittler, Berater und einfach Ansprechpartner für unsere Kunden in diesem Bereich. Wir verstehen uns als Premium-Anbieter mit qualitativ hochwertigen Produkten und unser Selbstverständnis ist, dass wir nicht einfach nur ein Produkt verkaufen und wir erst wieder Kontakt haben, wenn sie Nachschub brauchen. Wir kümmern uns auch noch um die Kunden, wenn das Öl verkauft ist, und lassen sie nicht im Regen stehen, wenn es ums Altöl und die Entsorgung geht.

Mit Kunden sind Vertragskunden gemeint?

Christian Ohm: Ja. Eine Werkstatt kann sich dafür entscheiden, Motul-Produkte zu verwenden und hat dann automatisch auch Zugang zu unseren Services, wobei nicht alle Services automatisch kostenfrei sind. Die Teilnahme am Programm, wenn ein Vertrag besteht, ist kostenfrei, da muss sich die Werkstatt um nichts kümmern. Sie kann die Entsorgung über uns durchführen, aber auch alle Zusatzangebote – wie z.B. Begehungen, Behördenschriftverkehr oder Abfallbilanzen – in Anspruch nehmen. Und das dann zu sehr moderaten, fairen und eigentlich kaum kostendeckenden Preisen. Aber Motul übernimmt natürlich komplett die Entsorgungskosten der Motul-Gebinde.

Inwiefern kann dieser Prozess denn digitalisiert werden?

Christian Ohm: Möglichkeiten dazu gibt es in der gesamten Wertschöpfungskette, von der Auftragsannahme bis hin zur Durchführung. Und später rücken Analysen und Predictive-Modelle in den Fokus: Mittels Sensoren können Füllstände erkannt und vorhergesagt werden, und auf dieser Grundlage wird dann eine Entsorgung ausgelöst und durchgeführt. Darüber hinaus ist die Verwendung von KI-getriebenen Tools in der Auftragsabwicklung und bei der Beratung heute natürlich auch schon im Gange.

Sie waren vor Motul bei Mazda, und sind heute auch Händler nachhaltiger Sneaker. Wie kommen Sie überhaupt zu dem Thema Nachhaltigkeit?

Christian Ohm: Grundsätzlich finden sich in meiner Karriere verschiedene Elemente. Das Automobil ist natürlich ein Steckenpferd. Ich war zwölf Jahre lang bei Mazda in verschiedensten Breichen tätig: Als Head of Brand and Media und als strategische Marketingleitung für Mazda Europa, ich war aber auch drei Jahre in Hiroshima in Japan zum Aufbau einer Abteilung. Zu den nachhaltigen Sneakers kam ich aus persönlicher Passion und nachdem ich eine Marktlücke zwischen den Megatrends Nachhaltigkeit und Sneaker entdeckt hatte.

Sind Sie, wenn Sie beim Thema Nachhaltigkeit etwas bewegen möchten, denn überhaupt in der richtigen Branche?

Christian Ohm: Die Frage ist, wo man ansetzt. Denn den größten Hebel für Nachhaltigkeit findet man in den nicht nachhaltigen Branchen und den nicht nachhaltigen Unternehmen. Und natürlich ist ein Unternehmen, das Motorenöle und Schmierstoffe herstellt, im Vergleich zu anderen Branchen erstmal nicht so nachhaltig. Im Sneakerbereich oder Modebereich sehe ich den Hebel eher bei den großen Marken, dass die sich auf faire kreislaufwirtschaftliche Produkte und vor allem eine faire Produktion umstellen. Die kleinen Unternehmen sind die Challenger der großen, die die Innovationen in den Markt bringen und neue Dinge ausprobieren und ausprobieren können. Aber der eigentliche Hebel ist bei den großen Unternehmen, den Dinosauriern, die aktuell noch nicht ganz nachhaltig sind. Mit Motul tragen wir unseren Teil zur Nachhaltigkeit bei, indem wir zum Beispiel dafür sorgen, dass die Werkstätten ihre Schadstoffe rechtskonform und umweltgerecht entsorgen können. Wenn es dann ein Programm gibt, das auch den Werkstätten hilft, die ganze Thematik Umwelt mehr und auch sorgfältig zu beachten, dann ist das schon ein Erfolg an sich.

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