Fulda und Fürstenwalde betroffen

Goodyear streicht rund 1.800 Stellen in Deutschland

Goodyear Fulda Solar Erst im vergangenen Jahr hatte Goodyear am Standort Fulda in eine Solaranlage auf dem Fabrikdach investiert.  Foto: Goodyear

Dass das Goodyear-Management mit seinen Sparmaßnahmen insbesondere auf die kriselnde EMEA-Region abzielt, ist keine Überraschung. Und auch, dass weitere Arbeitsplätze wegfallen könnten, galt nach den Meldungen der letzten Wochen als wahrscheinlich. Wie heftig der geplante personelle Kahlschlag ausfällt, überrascht nach einstimmigen Medienberichten nun jedoch auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Reifenherstellers. So steht etwa das traditionsreiche Reifenwerk am Standort Fulda vor dem Aus. Bis zum Ende des dritten Quartals 2025 soll der Betrieb eingestellt werden. Von diesem Schritt sind rund 1.050 Mitarbeitende in der Produktion betroffen. 

“Für Goodyear so teuer wie möglich machen”

Erst Mitte des Jahres hatte Goodyear den Abbau von knapp 550 Arbeitsplätzen in Fulda – und damit eine Halbierung der örtlichen Belegschaft – angekündigt. Die in diesem Zuge initiierten Gespräche über einen Sozialplan für die Beschäftigten waren allerdings nach Informationen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sowie des Goodyear-Betriebsrats seitens des Unternehmens einseitig abgebrochen und für gescheitert erklärt worden. Nach dem nun verkündeten kompletten Aus für das mehr als 100 Jahre alte Werk ist die Gewerkschaft entsprechend wütend: "Das ist eine riesige Unverschämtheit, so mit den Leuten umzugehen", wird Anne Weinschenk von der IG BCE in einem Beitrag der Hessenschau zitiert. Man wolle weiter für die Beschäftigten kämpfen und “es für Goodyear so teuer wie möglich machen”, heißt es in dem Hessenschau-Beitrag weiter. 

Seitens des Reifenherstellers wird der Schritt als “schwierige, aber notwendige Entscheidung” bezeichnet, “um Überkapazitäten zu reduzieren und unsere Produktionsstruktur mit der Nachfrage in Einklang zu bringen”. Billigimporte aus Asien hätten die Situation zudem weiter verschärft, sodass nun die Entscheidung zur Schließung des Standorts Fulda getroffen wurde. Zumindest für etwa 90 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Bereichen Verkauf und Verwaltung hat Goodyear offenbar eine Weiterbeschäftigung im Werk Hanau oder im Homeoffice angeboten. Für das Produktionspersonal ist eine solche Lösung derweil nicht in Sicht.

Anders als die Marke Dunlop, die im Zuge der strategischen Aktivitäten von “Goodyear Forward” verkauft werden soll, bleiben Fulda-Reifen auch nach dem Aus für den gleichnamigen Standort Teil des Goodyear-Portfolios. Die entsprechenden Produkte sollen laut Unternehmensanagben künftig an anderen Standorten in der EMEA-Region gefertigt werden.

IG BCE kritisiert fehlende Kooperation mit Tesla 

Mit dem Reifenwerk im brandenburgischen Fürstenwalde ist zudem ein weiterer Standort hierzulande von einem massiven Stellenabbau betroffen. Mit der schrittweisen Einstellung der Produktion bis Ende 2027 werden mehr als 700 Arbeitsplätze gestrichen. Der in Fürstenwalde ansässige Mischbetrieb soll nach den Plänen der Verantwortlichen jedoch erhalten bleiben und weiterhin Goodyear-Werke europaweit versorgen. Insgesamt beschäftigt Goodyear an dem Standort aktuell rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Nordost-Vertretung der IG BCE hat bereits angekündigt, sich gegen die Pläne zur Wehr setzen: „Wir werden das nicht akzeptieren. Wir kämpfen für jeden einzelnen Arbeitsplatz. Denn Goodyear betreibt Gewinnmaximierung!“ Die Gewerkschaft wirft dem Konzern zudem vor, zu wenig für den Erhalt des Standortes und sichere Perspektiven in der Reifenindustrie getan zu haben. Auf völliges Unverständnis stößt bei den Arbeitnehmervertretern zudem die fehlende Zusammenarbeit des Standorts mit der Tesla-Gigafactory im benachbarten Grünheide. „Die Reifen müssten doch eigentlich aus Fürstenwalde kommen. Das Know-how und die Bereitschaft in der Belegschaft sind vorhanden. Man hätte quasi die Reifen rüber rollen können“, heißt es in einem IG-BCE-Statement. 

Im Juni hatte Goodyear die Fürstenwalder Belegschaft für eine begrenzten Zeitraum in Kurzarbeit geschickt und das unter anderem mit einem Nachfragerückgang infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine begründet. Anfang November sorgte ein Bericht der Märkischen Oderzeitung für Aufsehen, wonach an dem Standort erneut Kurzarbeit anstehe. Das stellte der Reifenhersteller jedoch gegenüber dem Medium umgehend richtig und sprach von einem Missverständnis. Eine erneute Kurzarbeit sei “für die nahe Zukunft” nicht geplant. Dass auf diese Irritation nur kurze Zeit später die Ankündigung der Produktionseinstellung folgt, wirft kein gutes Licht auf den ohnehin in der Kritik stehenden Reifenhersteller. Zumal die seitens der IG BCE geäußerte Vermutung, dass die Werksschließungen bereits länger geplant gewesen seien, damit noch einmal deutlich schwerer wiegt. Die IG BCE will auf jeden Fall für die Beschäftigten beider Standorte kämpfen und in den kommenden Wochen diverse “öffentlichkeitswirksame Protestaktionen” starten. (dw)

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