Technologischer Taktgeber und ein führender Akteur im Bereich Mobilität – diese Rolle hatten das Continental-Management in der Vergangenheit für das Unternehmen vorgesehen und diesen Anspruch mit teilweise kostspieligen Zukäufen verschiedener Art dokumentiert. Der Reifenbereich sollte als verlässliche Cashcow das Vorstoßen in die als Zukunftsfelder definierten Geschäftsbereiche im Automotive-Segment unterstützen. Spätestens mit dem im Spätsommer 2024 verkündeten Spin-off der Automotive-Division mussten die ehrgeizigen Pläne jedoch als gescheitert angesehen werden. Dass selbiges nun auch noch für den Bereich ContiTech angekündigt wird, unterstreicht, wie dramatisch die Situation im Konzern ist.
In den Worten von Nikolai Setzer, seit Ende 2020 Vorstandsvorsitzender von Continental und zuvor lange Jahre für die Reifendivision verantwortlich, stellt sich diese wie folgt dar: „Continental hat insbesondere in den vergangenen dreißig Jahren durch gezielte Zukäufe und eigenes Wachstum drei starke Unternehmensbereiche in ihren jeweiligen Industrien geformt. Diese sind jetzt reif für ihre Unabhängigkeit.” Keine Schritte also, die gezwungenermaßen und unter wirtschaftlichem Druck erfolgen, sondern vielmehr als wohlüberlegt sollen die abermaligen Spin-off-Pläne verkauft werden. „Hochdynamische Märkte” verlangen Setzer zufolge nach „fokussiertem, agilem und entschlossenem Handeln”, weshalb jetzt der richtige Zeitpunkt für die „tiefgreifendste Neuaufstellung in der Unternehmensgeschichte” gekommen sei. „Wir schaffen drei starke, unabhängige Champions, die ihr volles Wachstums- und Wertschaffungspotenzial als selbstständige Unternehmen entfalten werden“, so Setzer mit Blick auf den aktuellen Vorstandsbeschluss.
Zunehmender Wettbewerbsdruck auch im Reifengeschäft
Wie die Hannoveraner mitteilen, steht nun zunächst eine Vorbereitungsphase an, während der unter anderem die Analyse und Bewertung der infrage kommenden Transaktionsformen für eine Verselbstständigung erfolgen soll. Zudem soll ein daraus abgeleiteter Zeitplan für die Umsetzung erarbeitet werden. Aktuell gehen die Verantwortlichen von einem Verkauf von ContiTech als wahrscheinlichste Option aus. Ein solcher Schritt soll jedoch erst nach dem Spin-off des Unternehmensbereichs Automotive sowie nach dem Verkauf des Geschäftsfeldes Original Equipment Solutions (OESL) umgesetzt werden. Vorbehaltlich notwendiger Beschlüsse könnte eine Verselbstständigung von ContiTech im Laufe des Jahres 2026 erfolgen.
„ContiTech wird mit der Verselbstständigung eigenständig als Spezialist für Materiallösungen mit starkem Industriefokus agieren”, heißt es seitens der Conti-Verantwortlichen weiter. Mit rund 39.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwirtschaftete die Sparte 2024 einen Umsatz in Höhe von rund 6,4 Milliarden Euro. Seine geplante Eigenständigkeit bestreitet der Geschäftsbereich jedoch ohne die wie erwähnt zum Verkauf stehende Geschäftseinheit Original Equipment Solutions (OESL). Diese zählt aktuell rund 16.000 Beschäftigte in 16 Ländern. Anfang Februar wurde ferner bereits bekanntgegeben, dass fünf ContiTech-Standorte geschlossen werden sollen.
Die Continental AG wiederum soll nach der umfassenden Neuaufstellung als „fokussiertes globales Reifenunternehmen” existieren, in das in einem letzten Schritt die derzeit noch übergeordneten Holding-Funktionen überführt werden. In der jüngeren Vergangenheit eine verlässliche Größe in der Conti-Bilanz, spürt der Konzern jedoch auch im Reifengeschäft den sich verschärfenden Wettbewerb. Als Reaktion darauf hat Continental jüngst mitgeteilt, sich aus dem Geschäft mit Landwirtschaftsreifen zurückzuziehen. Zu Ende 2024 zählte die Division mehr als 57.000 Beschäftigte bei einem Umsatz in Höhe von rund 13,9 Milliarden Euro. Seinen Automotive-Bereich wiederum will der Konzern vorbehaltlich der Zustimmung der Hauptversammlung am 25. April 2025 bis September an die Börse bringen. Details zu dem künftig unabhängigen Unternehmen – etwa hinsichtlich des Personals oder des Firmensitzes – stehen bereits fest. Im Geschäftsjahr 2024 lag der Umsatz von Automotive bei rund 19,4 Milliarden Euro. Die Zahl der Mitarbeitenden belief sich auf rund 92.000.
Die strukturellen Anpassungen gehen auch mit Veränderungen personeller Natur einher. Dr. Ariane Reinhart (55), Conti-Vorständin für HR und Nachhaltigkeit sowie Arbeitsdirektorin, legt ihr Mandat zum 30. Juni 2025 vorzeitig nieder. Zuvor hatte bereits CFO Olaf Schick seinen Wunsch nach einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Gremium mitgeteilt. Als Nachfolgerin von Dr. Ariane Reinhart ist Ulrike Hintze (48) vorgesehen, die zum 1. Juli 2025 als Arbeitsdirektorin und verantwortlich für HR in den Vorstand berufen wird. Die Leitung des HR-Bereichs im Unternehmensbereich Tires führt sie in Personalunion weiter. Nikolai Setzer wiederum übernimmt von Reinhart den Verantwortungsbereich Nachhaltigkeit zusätzlich zu seiner Verantwortung für die Bereiche IT und Kommunikation.
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