1.500 Mitarbeitende sind betroffen

Michelin schließt Werke in Karlsruhe und Trier

Michelin TrierIn Trier will Michelin die Geschäftstätigkeiten bis Ende 2024 sukzessive einstellen.  Foto: Michelin

Dass sich Michelin mit einem “wachsenden Wettbewerbsdruck” auseinandersetzen muss, hatten die Verantwortlichen bereits Ende Oktober betont. Gemeinsam mit den “steigenden Produktions- und Verwaltungskosten in Deutschland” hatte dieser den Konzern dazu veranlasst, Beratungen mit den Sozialpartnern zur Zukunft der Produktionsstandorte Karlsruhe, Trier und Homburg aufzunehmen. Es galt nach Angaben des Unternehmens “mögliche Optionen für diese Situation zu prüfen” – zu welchem Schluss das Michelin-Management gekommen ist, zeigt sich nun wenige Wochen später: Die jeweiligen Produktionen haben keine Zukunft mehr. 

Bis Ende 2024 will der Konzern die Wulstkernfertigung in Trier einstellen, bis Mitte 2025 soll die Reifen- und Mischungsherstellung in Karlsruhe folgen. Mit der Verlagerung des dortigen Kundenkontaktzentrums für die DACH-Region nach Polen bis Ende 2025 wird das vollständige Aus des Standorts besiegelt. In Homburg wird ferner die Lkw-Neureifenfertigung bis Ende 2024 und die Halbfabrikatfertigung bis Ende 2025 geschlossen. Die ansässige Runderneuerung will Michelin jedoch fortführen. 

Die seitens der Michelin-Führung genannten Gründe für die Werksschließungen ähneln denen, die Goodyear für die vergangene Woche verkündeten “Restrukturierungsmaßnahmen” seiner Standorte Fulda und Fürstenwalde angeführt hat: Konkurrenz durch günstige Importware insbesondere aus Asien hätten in Verbindung mit der anhaltend hohen Inflation und steigenden Produktionskosten zu einer Überkapazität in der Produktion geführt. Auch die Äußerungen aus dem Management gleichen sich. „Diese unumgängliche Entscheidung ist uns sehr schwer gefallen. Das Engagement unserer Mitarbeitenden, die innerbetrieblichen Fortschritte und die Investitionen der vergangenen Jahre in die betroffenen Aktivitäten können den starken Wettbewerbsdruck nicht länger ausgleichen“, kommentiert etwa Maria Röttger, Präsidentin der Region Nordeuropa von Michelin, die Pläne. 

IG BCE sieht Tradition als Verpflichtung

“In den letzten Jahren hat sich der Lkw-Reifenmarkt stark verändert. Es ist eine klare Verschiebung von Premiumreifen, hin zu importieren Budget-Reifen aus Niedriglohnländern zu erkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass die aktuellen Krisen und die hohe Inflation massive Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts haben. Diese Faktoren sorgen dafür, dass unser Produktionsstandort in Karlsruhe nicht länger ausreichend wettbewerbsfähig und ausgelastet ist. Die unausweichliche Entscheidung, die Produktion am Standort Karlsruhe schrittweise einzustellen, ist uns sehr schwer gefallen”, lässt sich der Karlsruher Werksdirektor Christian Metzger in einer Unternehmens-Mitteilung zitieren. Die Statements von Herbert Sklarzyk, Produktionsleiter Trier, und Bernd Lanius, Werkleitung Homburg, sind nahezu identisch. 

Derartige Aussagen von Akteuren wie Michelin oder Goodyear sind für Francesco Grioli, Vorstandsmitglied der IG BCE und zuständig für Branchen und Betriebspolitik, wenig stichhaltig: „Wir erwarten gerade von diesen traditionsreichen Unternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein klares Bekenntnis zu den deutschen Standorten und mehr Einsatz für die Beschäftigten, die oft schon in zweiter oder dritter Generation in den Reifenwerken arbeiten.“ Zugleich kündigte er an, um die Arbeitsplätze zu kämpfen.

Von den Maßnahmen sind bei Michelin insgesamt 1.532 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Im seit 1931 betriebenen Werk Karlsruhe arbeiten derzeit 479 Beschäftigte in der Produktion und weitere 122 im Kundenkontaktzentrum. In Trier, wo Michelin seit 1971 aktiv ist, fallen 88 Arbeitsplätze weg. In Homburg, wo der Konzern bereits ebenso lange aktiv ist, sind 843 von 1.323 Beschäftigten von der Einstellung der Neureifenproduktion sowie dem Aus für die Halbfabrikatfertigung betroffen. 

Die in Homburg ansässige Runderneuerung – Michelins größter Standort dieser Art in Europa – soll ebenso wie die Verarbeitung von RFID-Chips erhalten bleiben. Auch das Lager in Kirkel nahe Homburg bleibt bestehen. Gleichfalls weiter betrieben wird die Pkw-Reifenproduktion im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach, die Michelin als “einen entscheidenden Erfolgsfaktor in der künftigen Marktdurchdringung der Reifengrößen 18 Zoll und größer” bezeichnet. Zudem würden dort auch “strategische High-Tech-Reifen” gefertigt. Michelin wird beide Produktionsstandorte nach eigenen Angaben weiter modernisieren, um sie noch kosteneffizienter und umweltfreundlicher für die Zukunft aufzustellen. (dw)

In unserer Print-Ausgabe beleuchten wir die Hintergründe und Folgen der hiesigen Werksschließungen der letzten Monate und Jahre in einem ausführlichen Beitrag. 

Christian Metzger Michelin
Michelin Homburg

Ähnliche Artikel

Michelin Alexandra Beck-Berge
Alexandra Beck-Berge neu im Michelin-Presseteam
Personalie
Michelin Homburg
Michelin lehnt Alternativkonzepte ab und will Werke wie geplant schließen
Verhandlungen über Sozialplan gestartet
Demo gegen Werksschließungen Reifenindustrie
Arbeitnehmervertreter kritisieren “wenig glaubwürdige Strategie" bei Werksschließungen
“Kasseler Erklärung”
automotive_insights_podcast_Juliane_Eger
Faszination Motorrad und die Marke Michelin
Podcast/Motorradreifentest Touring 2024