Winterreifentest

Billigreifen in Nassdisziplinen desaströs

Vorsicht bei sehr billigen Reifen – der Test zeigt es einmal mehr.   Foto: GTÜ

Wollen Sie wenig oder doch lieber etwas mehr Geld für die neuen Winterreifen ausgeben? Bei dieser Entscheidung möchte das Testteam aus den drei Organisationen GTÜ, die Gesellschaft für technische Überwachung, des deutschen Autoclubs ACE und des österreichischen Autoclubs ARBÖ (Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs) Orientierung geben. In einer gemeinsamen Reifentestaktion fühlen die drei zehn Winterreifen in der SUV-Dimension 235/55 R18 auf das Profil. Dabei vergleichen sie nicht nur verschiedene Profile auf einem VW Tiguan, sondern auch gleich Preissegmente, nämlich sieben Produkte aus dem Premium- und Qualitätssegment mit drei Produkten aus dem Budgetsegment, oder anders gesprochen, mit drei Billigreifen. Das Ergebnis lässt sich leicht erraten: Zwei davon gleichen einer Katastrophe, deren Fahrverhalten glatt als “gefährlich” eingestuft wurde.

Das Angebot an Premiummarken mit hohem Qualitätsanspruch ist recht übersichtlich, deshalb ist trotz der relativ bescheidenen Anzahl von zehn Testkandidaten darin alles versammelt, was Rang und Namen hat. Die Premiumklasse vertritt etwa der Michelin Pilot Alpin 5 SUV, der mit ermittelten 792 Euro pro Satz auch der Teuerste im Bunde ist, gefolgt vom Continental Wintercontact TS870 P, der mit 752 Euro pro Satz zu Buche schlägt. Hinzu gesellt sich der Goodyear UltraGrip Performance + SUV für 724 Euro, der Pirelli Scorpion Winter 2 für 688 Euro, der Bridgestone Blizzak LM005 für 648 Euro, der Nokian Snowproof 2 SUV für 616 Euro und als letzter der Premium-/Qualitätsprodukte der Hankook I*cept Evo3 X für 556 Euro pro Satz. Und gegen diese Champions im Reifenmarkt treten drei Noname-Produkte aus dem Budget-Segment an, die gemessen am teuersten im Vergleich, dem Michelin, zum Teil nur weniger als die Hälfte kosten, was für viele sehr verführerisch sein mag. Nur gut die Hälfte, nämlich etwa 400 Euro, kostet der Sailun Ice Blazer Alpine Evo 1. Es folgen noch zwei Gummis aus chinesischer Prduktion, der Austone Skadi SP-901 für 296 Euro und der Fortuna Winter SUV, der im Satz schon für etwa 260 Euro zu haben ist. 

Die Testergebnisse: Nässe macht den Unterschied

Der finanzielle Unterschied von Premium zu Noname ist also durchaus gewaltig. Der Test soll nun zeigen, wie hoch die Unterschiede in den Fahreigenschaften sind. Dazu müssen sich die Kandidaten in vier Kategorien und insgesamt 14 Einzeldisziplinen auf Schnee, Nässe und auf trockenem Untergrund beweisen.

Natürlich müssen Winterreifen auf Schnee ihre Leistung bringen, um ihrem Namen gerecht zu werden. Das führt die Test-Crew in den skandinavischen Norden zum Arctic Center Ivalo von Goodyear, wo auch der Reifenhersteller seine Reifen entwickelt. Hier ging es vor allem um die Disziplinen Beschleunigung, das heißt Traktion auf Schnee sowie Bremsen (aus Tempo 35 km/h) und Handling. Im Ergebnis lag das gesamte Testfeld “nah beieinander und lieferte ein solides Ergebnis” ab. Überraschenderweise lag der sehr günstige Austone beim Bremstest auf dem zweiten Platz hinter dem mehr als doppelt so teuren Bridgestone. Im Handling lieferte er “das gleiche gute Niveau wie der Michelin”. “Beide ließen sich gut lenken, hatten eine gute Seitenführung”. Sogar der im Schneekapitel letztplatzierte Sailun landete insgesamt “im gelben Bereich”.

Und auch auf trockener Fahrbahn – hier nutzten die Tester das Goodyear-Testcenter im südfranzösischen Mireval – zeigten fast alle Reifen eine “grundsolide” Performance ohne große Ausschläge in die eine oder andere Richtung. Allerdings brauchte der chinesische Austone beim Bremsen knapp 5 Meter länger in den Stand als der Vergleichsbeste Michelin. “Das entspricht einer Wagenlänge und ist deutlich zu viel", kommentiert der ACE diesen Patzer. Beim Trockenhandling glänzten die Premiummarken Hankook, Goodyear, Nokian, Pirelli, Bridgestone und Continental, die sich alle ”präzise lenken und sicher in den Kurven führen” lassen. Michelin zeigt sich nur minimal schwächer und der Sailun bleibt auch hier gleichauf. Dagegen bleiben die beiden chinesischen Marken Austone und Fortuna zurück. Sie liefern einen “schwächeren Eindruck”. "Ausgeprägtes Untersteuern”, “schwieriger zu lenken”, “schwammig und unpräzise” lautet die Kritik. Somit treten auf trockener Fahrbahn schon deutliche Unterschiede zwischen den beiden Reifengruppen zutage.

Die Unterschiede steigern sich auf nasser Piste in geradezu dramatische Dimensionen. Bremsen auf Nässe ist für die Tester “die eigentliche Königsdisziplin”, auch und gerade bei Winterreifen. Primus in dieser Disziplin wird der Hankook und alle anderen, sogar der Sailun, bleiben im Rahmen mit 30 bis 32 Metern Bremsweg aus 80 km/h. Da brauchen Austone und Fortuna deutlich länger bis zum Stillstand, nämlich 38,8 und katastrophale 41 Meter. Das Versagen auf nasser Fahrbahn setzte sich erwartungsgemäß beim Handling fort. Die Premium- und Qualitätsreifen waren “präzise” zu fahren oder zeigten ein gut beherrschbares Niveau, auch der Sailun war “so gerade noch akzeptabel”. Dagegen “entpuppten sich die Reifen von Austone und Fortuna als Katastrophe”: extremes Untersteuern, zu wenig Grip und unpräzise Lenkung kritisieren die Tester. Auch beim Aquaplaning ergab sich kein anderes Bild: “Austone und Fortuna zeigten sich extrem anfällig und schwierig bei Aquaplaning. Der Rest legte ein solides Fahrverhalten an den Tag.”

Fazit: Bridgestone Blizzak LM005 erneuter Testsieger

“Der Bridgestone ist nah am perfekten Winterreifen”, schwärmen die Tester und küren den Bridgestone Blizzak LM005 zum alleinigen Testsieger mit dem Prädikat “sehr empfehlenswert”.. Alle anderen aus dem Premium-/Qualitätssegment erhalten das Prädikat “empfehlenswert” und auch der Sailun wird noch als “bedingt empfehlenswert” eingestuft. Die Winterreifen von Austone und Fortuna fallen durch als “nicht empfehlenswert”, was noch milde klingt, denn in Wirklichkeit warnen die Tester vor diesen Reifen, die gerade bei Nässe als “gefährlich für Normalfahrer” eingestuft werden.

Dass die Premium-/Qualitätsmarken in diesem Test überlegen bleiben, ist keine Überraschung, sondern entspricht der Erwartung. Erstaunlich ist nur, dass die Billigreifen, wie man sie landläufig auch nennt, sich im Schnee doch noch so gut schlagen. Das wird dann im Trockenen bei wichtigen Disziplinen schon schwieriger und steigert sich im Nassen zum Desaster. Erstaunlich ist allerdings, dass der in Europa konstruierte und in Fernost produzierte Sailun noch so einigermaßen mithalten kann. Wer hier eine preisliche Alternative sieht, muss allerdings einige Einschränkungen in Kauf nehmen. Am Ende kommen die Tester zu dem Ergebnis: “Beim Reifenkauf sollte der Preis nur ein Kriterium sein, wichtiger ist die Verkehrssicherheit.” Das ist wiederum sehr zurückhaltend ausgedrückt. Eigentlich müsste es heißen: Hände weg von ganz billigen Reifen. (ps/kle)

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