Teilehandel/Aftermarket

EuGH-Feststellungen zur Erleichterung des Zugangs zu Hersteller-Informationen

Auf einer Pressekonferenz am Rande der GVA-Mitgliederversammlung in Hannover zeugte sich GVA-Präsident Thomas Vollmar kämpferisch.  Foto: Kay Lehmkuhl

Auf einer Pressekonferenz am Rande der GVA-Mitgliederversammlung in Hannover hatte sich GVA-Präsident Thomas Vollmar kämpferisch gezeigt, gleichzeitig aber eine finanzielle Belastungsgrenze signalisiert. Die juristischen Initiativen des Verbandes sind kostenintensive Unterfangen – Vollmar teilte mit, dass der GVA mit Rückstellungen werde arbeiten müssen. Der Kongress im Maritim Airport Hotel diente auch dazu, weitere Mitglieder zu werben und sich so zusätzliche finanzielle Mittel zu sichern. Dabei darf das Wirken des GVA für die Interessen des freien Automotive-Aftermarkets als durchaus erfolgreich bezeichnet werden. Zuletzt war der GVA gegen den Automobilhersteller Toyota Motor Europe S.A./N.V. und dessen deutsche Vertriebsgesellschaft Toyota Deutschland GmbH wegen mehrerer Wettbewerbsverstöße im Zusammenhang mit der Verwendung unzulässiger Garantiebedingungen und ihrer Verbreitung vorgegangen.

Die am 09. November formulierten Klarstellungen des EuGH im Verfahren C-319/22 sind für den GVA ein weiterer Beleg erfolgreicher Verbandsarbeit. Der GVA war Kläger des Ausgangsverfahrens gegen den Lkw-Hersteller Scania vor dem Landgericht Köln. Dieses landete schließlich beim EuGH. Scania hatte sich geweigert, die Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) unter Verweis auf den Datenschutz an Dritte weiterzugeben. Zu den Klarstellungen des EuGH im Verfahren C-319/22 teilt GVA-Präsident Thomas Vollmar mit: "Sie werden im Sinne des Verbrauchers für mehr Wettbewerb auf dem Kfz-Anschlussmarkt sorgen.“ Insbesondere durch die nun bestätigte Pflicht der Fahrzeughersteller, ihre Fahrgestellnummern (VIN) zur Verfügung zu stellen, werden nach Verbandsangaben nun auch auf dem freien Markt passende Ersatzteile und technische Informationen jeweils für das konkrete Fahrzeug über die Eingabe der Fahrgestellnummern schnell und präzise auffindbar sein.

„Es ist erfreulich, dass mit der heutigen Entscheidung des EuGH endlich das Argument der Hersteller vom Tisch ist, sie dürften die gesetzlich geforderte Herausgabe der Fahrgestellnummern aus Datenschutzgründen verweigern“, so GVA-Geschäftsführer Dirk Scharmer. Die Klarstellung war nach Ansicht der GVA-Verantwortlichen überfällig, um den Wettbewerb auf den Märkten für Teile und Service in der Europäischen Union zu stärken. Dies gelte auch für die vom EuGH getroffenen Feststellungen zur Erleichterung des Zugangs zu den technischen Informationen der Hersteller. "Es ist endgültig klar, dass die Fahrzeughersteller technische Informationen in einem Format bereitstellen müssen, das zur elektronischen Weiterverarbeitung vorgesehen ist. Das gilt nicht nur für Ersatzteilinformationen, sondern für sämtliche Reparatur- und Wartungsinformationen. Die Position mancher Fahrzeughersteller wie im Ausgangsverfahren, dass beispielsweise auch ein als PDF speicherbarer Screenshot ein geeignetes Format darstelle, ist damit nicht haltbar. Zwar hat der EuGH betont, dass der Zugang zu den Informationen nicht zwingend über eine automatisierte Datenbankschnittstelle mit der Möglichkeit maschinengesteuerter Suchanfragen vorgehalten werden muss. Fahrzeughersteller müssen aber eine geeignete Datenbank vorhalten, die unabhängige Anbieter sowohl über die VIN als auch über andere Kriterien nach den benötigten Informationen durchsuchen können", wird in einer GVA-Mitteilung ausgeführt.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Hersteller sofort an diese Vorgaben des EuGH halten werden und längst entsprechend vorbereitet sind. Diese Erleichterung des Zugangs zu den wichtigen technischen Informationen wird es unabhängigen Anbietern ermöglichen, besser auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren. Dies wird dazu beitragen, Auswahl und Qualität der Angebote im Sinne der Verbraucher zu erhöhen“, urteilt Thomas Vollmar. Dirk Scharmer versichert: „Wir werden als GVA das weitere Marktverhalten der Fahrzeughersteller genau beobachten, denn eine Umstellungsfrist gibt es nicht“. 

GVA-Jahresmitgliederversammlung

Dass sich das Spektrum an Herausforderungen für Akteure im Kfz-Teilehandel im Wandel der Mobilität vergrößert und die Branche nach neuen Perspektiven sucht, wurde auf der diesjährigen Mitgliederversammlung deutlich. Zwar erweist sich die Branche nach Einschätzung von Thomas Vollmar als "weiterhin stabil", der GVA-Präsident sorgt sich dennoch um die deutsche Volkswirtschaft: "Es nützt nichts homöopathisch rumzudoktoren. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen verbessert werden und zwar schnell." Folglich wurde in Hannover die allgemeine wirtschaftliche Situation und deren Auswirkungen auf die Branchenkonjunktur ebenso diskutiert, wie aktuelle Entwicklungen bei den zuvor beschriebenen wettbewerbspolitischen Anliegen des freien Kfz-Ersatzteilmarktes. Das Programm lieferte Denkanstöße. Damian Dyrbusch von der Robert Bosch GmbH referierte beispielsweise zum Zukunftsthema "Software Defined Mobility" und deren Bedeutung für den Ersatzteilemarkt. Einen rasant getakteten Vortrag zu "Chancen, Potentiale und politische Bewertung von reFuels" lieferte Professor Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach sprach über "Krieg und Krisen - Deutschland und Europa im Stresstest", Bilal Zafar zum Thema "Künstliche Intelligenz: Die größte Veränderung zu unseren Lebzeiten". Zur Bewältigung all dieser Herausforderungen braucht es politische Stabilität – die Sorge um diese brachte Thomas Vollmar in seiner Eröffnung zum Ausdruck. Leichtigkeit und Rückenwind sind für die Branche vorerst nicht zu erwarten. (kle)

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