VDA-Umfrage im automobilen Mittelstand

Absatzlage und Bürokratie gefährden Investitionen in Deutschland

Hildegard Müller VDA-PräsidentinSieht die Umfrageergebnisse als Auftrag an die Politik: VDA-Präsidentin Hildegard Müller.  Foto: VDA

Für seinen Report hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) Anfang Oktober Unternehmen nach den derzeit größten Belastungen für ihre Arbeit befragt. Insgesamt 113 Automobilzulieferer (Herstellergruppe III) sowie mittelständisch geprägte Hersteller von Anhängern, Aufbauten und Bussen (Herstellergruppe II) haben an der Auswertung teilgenommen, sodass dem Verband nach eigenen Angaben “repräsentative Aussagen zur Lage und den Perspektiven der Automobilindustrie vorliegen”. 

An der Spitze der genannten Herausforderungen steht aktuell der Punkt Bürokratie. 85 Prozent der Unternehmen gaben an, durch Bürokratie stark oder sogar sehr stark belastet zu sein, womit die bereits hohen Werte vergangener Umfragen (Mai: 72 Prozent; Februar: 62 Prozent) noch einmal übertroffen werden. Viele Betriebe beklagen, dass der Aufwand für nicht wertschöpfende Berichte zunehme, Kapazitäten binde und hohe Kosten verursache. Spürbare Belastungen melden die mittelständischen Unternehmen darüber hinaus weiterhin im Bereich Energie. Gegenüber dem Jahresbeginn hat sich die Situation zwar leicht entspannt, dennoch bleiben der Strompreis für 71 Prozent (Mai: 74 Prozent, Februar: 82 Prozent) und der Gaspreis für 59 Prozent (Mai: 59 Prozent, Februar: 73 Prozent) der Befragten zentrale Herausforderungen. Gegenüber der Umfrage im Mai dieses Jahres ist ferner der Anteil an Betrieben, die unter einem Mangel an Fach- und Arbeitskräften leiden, auf 71 Prozent gesunken (Mai: 85 Prozent, Februar: 78 Prozent).

Folgen für den Standort Deutschland 

Mit Blick auf das Thema Personal ist jedoch ein weiterer Aspekt der Auswertung interessant. Suchten im Mai noch 57 Prozent der Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Standorte in Deutschland, so sind es jetzt noch 43 Prozent. Alarmierend ist in diesem Zusammenhang laut VDA, dass im Mai 19 Prozent der Unternehmen planten, die Beschäftigung in Deutschland zu reduzieren und dies jetzt 40 Prozent der Unternehmen angeben. 

Ähnlich stellt sich die Situation auch bei Investitionen dar, wo sich die Tendenz zur Verlagerung weiter verfestigt: Mehr als jedes dritte Unternehmen (35 Prozent) plant inzwischen eine Investitionsverlagerung ins Ausland (Mai 2023: 27 Prozent, Februar 2023: 27 Prozent, September 2022: 22 Prozent), während weitere 14 Prozent Investitionen streichen wollen. Ein Investitionserhöhung in Deutschland steht angesichts der aktuellen Situation nur bei 1 Prozent der Unternehmen auf der Agenda. Als bevorzugte Ziele für die verlagerten Investitionen wurden nach VDA-Angaben in absteigender Reihenfolge andere EU-Länder, Asien und Nordamerika angegeben. 

Unter den Gründen, die die Investitionstätigkeit von Unternehmen in Deutschland beeinträchtigen, spielen die Energiepreise (16 Prozent) sowie Bürokratie und Regulierungsdichte (15 Prozent) eine wesentliche Rolle. Noch entscheidender ist jedoch die Absatzlage respektive die Umsatzerwartung, die von mehr als jedem vierten Unternehmen (27 Prozent) genannt wurde. Dabei rücken auch die Auftragslage sowie das schwache gesamtwirtschaftliche Umfeld in den Fokus: Während im Mai noch 42 Prozent der Unternehmen sagten, dass Auftragsmangel aktuell nur eine geringe oder überhaupt keine Herausforderung ist, gaben das in der aktuellen Umfrage nur noch 22 Prozent zu Protokoll. Demgegenüber sehen 41 Prozent einen Mangel an Aufträgen aktuell als eine große oder sehr große Herausforderung (Mai: 2023: 31 Prozent, Februar 2023: 21 Prozent). Für das kommende Jahr geht die Mehrheit der Betriebe (59 Prozent) von einer gleichbleibenden Situation aus. Ein Viertel befürchtet eine Verschlechterung der eigenen Lage, während nur 16 Prozent eine Verbesserung erwarten. 

Mit Blick auf das Stimmungsbild in der Branche bilanziert VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Unsere Umfrage zeigt deutlich: Der automobile Mittelstand in Deutschland leidet immens unter überbordender Bürokratie und hohen Energiekosten. Dass immer mehr Unternehmen Investitionen ins Ausland verlagern, ist ein Warnsignal für Berlin! Es gilt, gegenzusteuern und regulatorisches Klein-Klein durch langfristige Strategien für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu ersetzen.“ Die Umfrageergebnisse würden gleichzeitig den in der Industriestrategie des Bundeswirtschaftsministers aufgezeigten Handlungsbedarf bestätigen, der nötig ist, um die Transformation der Industrie zu unterstützen und ihre strategische Souveränität und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Umso wichtiger, so Müller, sei es, dass den Erkenntnissen nun konkrete Taten und Gesetze folgen. „Es darf nicht bei Absichtserklärungen bleiben”, so der eindringliche Appell der VDA-Präsidentin. (dw)

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