Autohausgeschäft

Agenturmodelle im Wartemodus

AutohausgeschäftDie Hersteller erhoffen sich vom Agenturmodell Mehreinnahmen, die Händler hingegen fürchten Einnahmeeinbußen.  Foto: Marko - stock.adobe.com (KI)

Die Lage in Sachen Agenturmodell ist mitunter etwas unübersichtlich. Vor 12 Monaten war man sich beim Branchenriesen Stellantis noch sicher, die neue Verkaufsstrategie für Neuwagen der Marken Alfa Romeo, Citroën, DS, Fiat, Jeep, Opel und Peugeot einführen zu wollen. Ein Jahr später und um einige Erfahrungen aus den ausländischen Pilotmärkten Österreich, Belgien und Niederlande reicher, sind die Pläne mindestens aufgeschoben. Viele rechnen sogar mit einer gänzlichen Abkehr von den Vorhaben, da sich – neben herstellerseitigen Komplikationen hinsichtlich IT und Infrastruktur – auch die Kunden mit dem neuen Vertriebsentwurf nicht so recht zufrieden erweisen, wie Umfragen in ausländischen Märkten zeigen.

Ähnliche Vorgänge waren beim US-Hersteller Ford zu beobachten. Nachdem man das Agenturmodell ursprünglich peu à peu ab April 2025 hierzulande hatte einführen wollen, sind inzwischen neue Händlerverträge ausgehandelt, womit die Thematik vorerst ad acta gelegt ist, obschon sich Komponenten in den Vereinbarungen befinden sollen, die durchaus für Agenturen charakteristisch sind. Gegenüber der Automobilwoche konstatierte Jörg Ullrich, seit 2021 Fords Director Transformation für Deutschland, Österreich und die Schweiz, die DACH-Region sei für eine Einführung der echten Agentur schlicht zu groß und die rechtlichen Voraussetzungen zu komplex, als dass man sich den infrastrukturellen Anforderungen gewachsen sieht.

Bei VW ist man da schon einen Schritt weiter. Zwar hatte der Konzern Anfang diesen Jahres angekündigt, die Vertriebsart Agentur, die es im Flottengeschäft bereits seit Jahren, im BEV-Handel seit April 2024 gibt, auf Verbrenner-Fahrzeuge ausweiten zu wollen. Der Startschuss für das anvisierte Agenturmodell kann aber frühestens 2027 erfolgen, heißt es aus Branchenkreisen.

Dass es gelingen kann, eine Agentur zu etablieren, zeigen Mercedes und jüngst BMW mit der Marke Mini. Mercedes Benz hatte das Agenturmodell zuvor in Österreich, Schweden, Südafrika, Großbritannien und Indien eingeführt, bevor auch der hiesige Handel Mitte 2023 auf Agentur umgestellt wurde. BMW ging mit Mini zunächst in Italien, Schweden und Polen im Agenturmodell an den Start. Die dort gemachten Erfahrungen möchte man nun für den Agenturvertrieb seit dem 01. Oktober auf dem deutschen Markt nutzen.

Echt und unecht

Heruntergebrochen gibt es zwei mögliche Modelle für den Agenturvertrieb: Die echte und die unechte Agentur. Bei der echten Agentur, wie sie Mercedes und BMW eingeführt haben, trägt der Hersteller alle Risiken und Kosten und erhält im Gegenzug die Hoheit über die Preisgestaltung. Die festgelegten Preise und Konditionen sind für die Händler bindend, die kolportierten Provisionsanteile variieren stark im mittleren einstelligen Prozentbereich. Bei der unechten Agentur hingegen darf der Hersteller keine Preisvorgaben machen, übernimmt allerdings auch nur einen Teil der Kosten und Risiken. Dafür ist es den Händlern möglich, Preisnachlässe zu gewähren, die sich dann allerdings auf die Höhe der Provision auswirken.

Die Vorteile einer echten Agentur scheinen auf der Hand zu liegen – jedenfalls für die Hersteller: Ihnen geht es um eine Reduzierung der Vertriebskosten, punktgenauere Belieferung der Verkaufsstandorte, eine Minimierung der Lagerbestände, einen direkteren Draht zu den Kunden. Demgegenüber stehen große Aufgaben, schließlich müssen die Vertriebsstrukturen von B2B auf B2C umgestellt werden: „Das Agenturmodell bietet auf der einen Seite erhebliche Chancen, bringt auf der anderen Seite aber auch eine klare Herausforderung bei der Umsetzung sowie potenziell hohe Kosten im Falle eines Scheiterns mit sich. Die Nationalen Vertriebsgesellschaften sind der Grundstein für den Erfolg des Modells,“ konstatierte Dr. Stefan Penthin, Global Leader Automotive and Industrial Manufacturing beim Management- und Technologieberatungsunternehmen BearingPoint, Anfang 2024. Viele Key Points gilt es zu beachten, wenn man die Planungen und Transformationen im Sinne der Hersteller selbst, aber vor allem auch der Kunden und Händler vor Ort, reibungslos umsetzen möchte. Dabei geht es laut BearingPoint unter anderem um Themen wie Datenanalyse, Lead-Management, Marketing, Vertriebsplanung, Stock Management und vieles mehr.

Bange Händler

Unter den Autohausverkäufern ist die Stimmungslage ambivalent. Natürlich hat ein Neuwagenvertrieb ohne Risiken, ohne Wettbewerb und ohne kostspielige Lagerungsflächen durchaus seinen Reiz, zu unwägbar bis zu gering sind für viele aber nach wie vor die zu erzielenden Margen, zu unvorhersehbar der betriebsinterne Aufwand für Schulungen und Umstrukturierungen. Für Bernd Behrens, selbst 45 Jahre lang Autohausbetreiber, heute Unternehmensberater, ist das Agenturmodell im mo:re-Podcast von mobile.de ein „Versuch aus der Covid-Zeit, die ein bisschen das Gehirn vernebelt“ habe: „Das Agentursystem wird aus meiner Sicht geschichtlich keine große Bedeutung haben.“ Dabei verringert sich für den Händler zunächst einmal das wirtschaftliche Risiko, da er die Fahrzeuge, die er verkaufen möchte, nicht vorfinanzieren muss. Darüber hinaus muss er nicht mehr als die Vorführmodelle vor Ort haben, da die verkauften Fahrzeuge direkt vom Hersteller geliefert werden. Obendrein übernimmt beim echten Agenturmodell der Hersteller auch die Gewährleistung, sodass das Autohaus nicht in der Verantwortung steht. Allerdings zieht BMW bei Mini auch die jungen Gebrauchtwagen bis 18 Monate an sich und übernimmt sogar die Aufbereitung. Ein Arbeitsschritt, der bis dahin Händlersache war. Dass ihnen durch Wegfallen von Letzterem ein interessantes Kerngeschäft verloren geht, beklagen manche Autohäuser, der Hersteller hält jedoch dagegen: Damit bliebe den an Terminen eh knappen Werkstätten mehr Kapazitäten für andere Arbeiten.

Verschobene Zuständigkeiten

Die Hersteller erhoffen sich Mehreinnahmen, die Händler befürchten Verluste: eine Konstellation, deren Gelingen auf lange Sicht schwer vorstellbar ist. Denn das Thema Agenturmodell ist in mehreren Aspekten natürlich auch ein psychologisches. Es geht um das Selbstverständnis der Akteure: Um das der Hersteller, die fortan mehr sind als Lieferant für Autohäuser, da sie selbst ein Vertriebsnetz aufbauen und Online-Infrastrukturen implementieren müssen. Und das der Autohausverkäufer und -betreiber, da durch diese Form des Direktvertriebs die klassische Expertise des Autoverkäufers ausgehöhlt und unterwandert wird.

Auf Seiten der Hersteller existiert der große Wunsch nach mehr und besserer Kontrolle – über die Preisgestaltung, die Margen, den Fahrzeugbestand, aber auch über die Kundendaten und deren Auswertung für Marketing, Produktentwicklung und Kundenbindung. Und wo jemand mehr Kontrolle bekommt, muss ein anderer Kontrolle abgeben. Das bedingt auch Veränderungen in den Hierarchiestrukturen, und diese wollen nicht nur idealerweise fair ausgehandelt, sondern müssen auch transparent kommuniziert werden. Tankstellenbetreiber haben dieses Marktkonzept längst verinnerlicht, für sie ist das Agenturmodell selbstverständlich, inklusive aller Vor- und Nachteile. Die Autohausbetreiber sind da naturgemäß noch nicht so weit.

Transformationen müssen also her, logistische, gedankliche, strukturelle. Das ist allen Seiten bewusst, und vielleicht auch der Grund für die momentan eher unübersichtliche Lage, die zögerliche Umsetzung und die schwer abwägbaren Zukunftsperspektiven. Was wird, wird sich zeigen. Auf den ersten Blick verlassen alle Beteiligten, ob sie wollen oder nicht, ein Stück weit den "Safe Space" ihrer Kernkompetenzen, wie man sie bis dato kannte: Der Hersteller kann entwickeln, herstellen und liefern, der Verkäufer kann verhandeln, verkaufen und instandsetzen – so war es lange, so soll es nicht mehr sein. Oder vielleicht doch?

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