Ist es nur eine weitere „Fokussierung”, oder doch schon Vorausdeutung auf mehr? Das Commercial-Segment wird für einige "Premium"-Reifenhersteller zunehmend unattraktiver. Der japanische Reifenriese Bridgestone hat in den letzten Jahren bereits heftige Einschnitte in seiner Produktionsstruktur – inklusive Werksschließungen – vorgenommen, die Reifendivision von Conti kündigt nun gar die komplette Aufgabe ihres Agrar-Geschäfts für Ende 2025 an. Dies wird Auswirkungen auf das Reifenwerk in Lousado haben. Dort wurden im Jahr 2019 rund 100 Millionen Euro in neue Produktionsanlagen für Radial-Off-the-road-Reifen (OTR) als Teil der "Continental-Wachstumsstrategie Vision 2025" investiert. Von Wachstum kann nun bezüglich dieses Commercial-Segments keine Rede mehr sein. Dem Druck, der in diesem Segment besonders von chinesischen und indischen Herstellern zunehmend erhöht wird, konnte Conti nicht mehr Stand halten.
Aus der Konzernzentrale aus Hannover werden in den letzten Monaten ohnehin beinahe monatlich Stellenstreichungen, Spin-off-Pläne oder Effizienzstraffungsmaßnahmen als „Fokussierungen" verkauft. So auch in der letzten Meldung zur Einstellung des Geschäfts mit Landwirtschaftsreifen. Die Unruhe im Konzern ist groß. In der Unternehmensmitteilung heißt es, Continental werde ihr Geschäft im Bereich Commercial Specialty Tires zukünftig auf Reifen für Material Handling, Erdbewegung und Hafenanwendungen fokussieren. Der Entscheidung zur Aufgabe des Geschäfts mit Landwirtschaftsreifen sei eine umfassende betriebswirtschaftliche Bewertung vorausgegangen. Das Segment der Landwirtschaftsreifen habe sich in den vergangenen Jahren fundamental gewandelt. Infolgedessen sei der adressierbare Markt für Continental signifikant geschrumpft und somit nicht mehr mit den Ambitionen des Unternehmens vereinbar.
Die von der „strategischen Neuausrichtung" betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hauptsächlich im Werk in Lousado (Portugal) tätig. Seitens des Managements zeigt man sich zuversichtlich, den meisten der betroffenen Mitarbeitenden ein alternatives Jobangebot innerhalb des Unternehmens machen zu können. Paul Williams, Head of Continental Commercial Specialty Tires, begründet die Entscheidung: „Indem wir uns zukünftig auf das Commercial-Specialty-Tires-Geschäft fokussieren, können wir unsere Ressourcen noch gezielter auf unsere Stärken im Reifengeschäft Material Handling, Erdbewegung und Hafenanwendungen ausrichten.“ Bis Ende 2025 werde Continental alle vertraglichen Lieferverpflichtungen gegenüber ihren Kunden von Landwirtschaftsreifen (TractorMaster, Tractor70, Tractor85, CombineMaster und CompactMaster) erfüllen. Die Aufgabe des Geschäfts mit Landwirtschaftsreifen ist in jedem Fall ein weiteres Negativsignal von der Konzerleitung an die Belegschaft. Die Lage für den Automobilzulieferer aus Hannover bleibt weiterhin hochkomplex.
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