Agritechnica 2023

Nachhaltig, vernetzt und hochflexibel: Reifen für die Landwirtschaft der Zukunft

Agritechnica 2023Mehr als 470.000 Besucherinnen und Besucher kamen an den sieben Messetagen zur Agritechnica.  Foto: Daniel Willrich

Zielkonflikte stellen Politik, Gesellschaft und Unternehmen immer wieder vor besondere Herausforderungen. Der “Klassiker” der Reifenentwicklung ist die Austarierung von Rollwiderstand und Nasshaftung, um Performance und Sicherheit mit Nachhaltigkeit und Effizienz in Einklang zu bringen. Innerhalb eines solchen Spannungsfeldes bewegt sich aktuell auch die Landwirtschaft. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung gilt es, durch gesteigerte Produktivität und höhere Erträge die Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen. Demgegenüber steht die Notwendigkeit eines verstärkten Natur- und Umweltschutzes und demzufolge eine verringerte Intensität beim Einsatz von Betriebsmitteln.

Innovationen, Flexibilität und Effizienz sind die in diesem Zusammenhang vielfach genannten Schlagworte, die die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) als Ausrichter der Agritechnica für die diesjährige Ausgabe unter dem Slogan “Green Productivity” zusammengefasst hat. Mehr als 2.800 Aussteller aus 52 Ländern nutzten die Gelegenheit, sich und ihre Lösungen an sieben Messetagen in diesem Rahmen zu präsentieren. Jede Menge Neuheiten hatten auch die Vertreter der Reifenbranche im Gepäck, die in Hannover ihre Services und Produkte für die Landwirtschaft der Zukunft vorstellten. 

Intelligente und vernetzte Landwirtschaft 

Basis für die angestrebten Effizienzsteigerungen sind auch im Agrarsektor in zunehmendem Maße smarte und digitale Systeme. Fraglos mit Kompetenzen in diesen Bereichen ausgestattet ist die Continental AG, die ihr Heimspiel dann auch gleich für die Vorstellung einer ganzen Reihe intelligenter Tools nutzte. Eines davon war etwa eine skalierbare Telematikplattform für die Landwirtschaftsbranche, für die der Konzern nach eigenen Angaben eine Technologie aus dem Pkw- und Nutzfahrzeugbereich adaptierte. Das sowohl für die Übertragungsstandards 4G als auch 5G ausgelegte System soll zuverlässige Daten liefern, mit denen sich wiederum deutliche Produktivitätszugewinne realisieren lassen sollen. Parallel dazu wurde mit ContiConnect Lite eine Lösung für den Einstieg in die digitale Reifenüberwachung vorgestellt. Ein Bluetooth-fähiger Sensor im Inneren des Reifens soll Landwirten einen einfachen Zugriff auf wichtige Reifendaten direkt auf dem Mobilgerät ermöglichen. Im Zuge dessen verwiesen Philip Nelles, Mitglied des Vorstands für den Unternehmensbereich ContiTech, und Christian Kötz, Mitglied des Vorstands für den Unternehmensbereich Tires, auf die Bedeutung des Agrarsektors für Continental im Rahmen der Strategie “Vision 2030”. „Seit unserem Wiedereinstieg in das Geschäft für Agrarreifen im Jahr 2017 durften wir ein kontinuierliches Wachstum erleben“, berichtete Christian Kötz. Mit ausgefeilten Produkten wie dem auf der Messe ausgestellten VF TractorMaster Hybrid soll diese Entwicklung weiter vorangetrieben werden. “Reifen sind unsere DNA”, betonte Kötz.

Bohnenkamp und BKT 

Über einen neuen Baustein seines Serviceportfolios informierte auf der Agritechncia 2023 der Osnabrücker Großhändler Bohnenkamp. Gemeinsam mit dem indischen Hersteller BKT wurde ein Entsorgungsservice etabliert, der das Bohnenkamp-Leistungsversprechen “erst so richtig rund" machen soll. “Wir haben erkannt, dass für unsere Handelspartner die Entsorgung von Altreifen unbedingt einfacher werden muss”, begründet Gesamtvertriebsleiter Thomas Pott das neue Angebot. Ab einer Menge von drei Tonnen rücken die zertifizierten Partner des Großhändlers aus und holen die Altreifen zur fachgerechten Entsorgung ab. BKT unterstützt das Konzept mit einer Entsorgungspauschale je abgeholter Tonne. 

Jenseits dessen hatte das indische Unternehmen auch jede Menge Neuigkeiten in eigener Sache im Messegepäck. Mit den neuen Modellen Forestmax und Forestland bespielt der Hersteller künftig das Segment forstwirtschaftlicher Anwendungen. Gänzlich neu im BKT-Katalog ist auch der All-Steel-Radialreifen Powertrailer SR 331 für den Feld- und Straßeneinsatz. Zudem ergänzt die Abmessung 34x6x44 das Line-up der Raupenkette Agriforce BK T7. 

Flexible Reifenlösungen von Vredestein, Nokian und Petlas

Eine breite Auswahl des Spezialreifenangebots seiner Marken hatte der ApolloVredestein-Konzern mit nach Hannover gebracht. Neben dem neuen Terra MPT 1 für Baustellenfahrzeuge und Unimogs aus dem Hause Apollo Tyres stand dabei der Vredestein VF Traxion Optimall im Fokus. Erst kurz vor der Messe konnte der Reifenhersteller für das Profil eine OE-Vereinbarung mit AGCO verkünden. Die vertragliche Ausrüstung von Traktoren der Serie Fendt 700 Gen7 stellt laut Unternehmensangaben innerhalb der langjährigen Zusammenarbeit mit AGCO eine Premiere dar. 

Gleich zwei Reifenneuheiten mit VF-Eigenschaften waren am Stand von Nokian Heavy Tyres zu sehen. Sowohl im Soil King VF als auch im Float King VF kommt erstmals eine spezielle Technologie zum Einsatz, die eine optimierte Energieeffizienz mit einer XXL-Bodenaufstandsfläche und einem Höchstmaß an Flexibilität kombinieren soll: Nokian Tyres Flexforce VF. Während der Soil King VF insbesondere leistungsstarke Traktoren bestückt, wurde der Float King VF für große Auflieger und Tankwagen konzipiert. Letzterer soll besonders mit seinem Leistungsvermögen bei schwierigen Bodenverhältnissen punkten. Der Soil King VF wiederum zeichnet sich laut Herstellerangaben durch einen geringeren Radschlupf sowie seinen optimierten Kraftstoffverbrauch aus.

Der türkische Hersteller Petlas nutzte die Messe, um einen deutlichen Ausbau seiner VF-Größen-Range für Traktoren und Sprühgeräte zu verkünden. Die drei in Hannover kommunizierten Spezifikationen VF 520/85 R42, VF 520/85 R46 und VF 380/90 R46 bilden dabei nach Aussage der Verantwortlichen den Auftakt eines weiteren Ausbaus des Line-ups: 12 zusätzliche VF-Größen will der Hersteller 2024 einführen. Parallel dazu bewarb Petlas in Hannover auch das erweiterte Angebot seiner AS-Reifenmodelle PT-Flot und PT-Haul. 

Indische Marken und GRI zeigen Flagge 

Neben BKT und Apollo Tyres waren auch eine Reihe weiterer südasiatischer Reifenhersteller in Hannover zugegen. Am Stand von Global Rubber Industries (GRI) aus Sri Lanka dominierte dabei die Farbe Grün. Nachdem das Unternehmen bereits im letzten Jahr das erste Exemplar seiner Green XLR Earth-Reihe präsentiert hatte, konnten die Verantwortlichen nun einen weiteren Ausbau dieser Range verkünden. Jüngster Neuzugang der Reihe ist der Radialreifen Green XLR Earth TH200, der für agro-industrielle Einsätze konzipiert wurde. Zum Marktstart offeriert GRI den Reifen in der Größe 460/70 R24. In den Produkten dieser Reihe kommen unter anderem recycelter Ruß und recycelter Kautschuk sowie Sojaöl zum Einsatz. Je nach Dimension und Zusammensetzung bestehen die Green XLR Earth-Reifen laut Herstellerangaben aus bis zu 78,5 Prozent nachhaltigen Materialien. 

Ihre komplette Off-Highway-Reifenpalette präsentierte die Marke Ascenso erstmals unter dem Namen Ascenso Tyres CE GmbH, unter dem das Unternehmen seit Februar dieses Jahres firmiert. Als Ausdruck der im Zuge der Umfirmierung kommunizierten Pläne, einer der führenden Reifenhersteller im ‘Off Highway’-Segment“ zu werden, zeigte der Hersteller mit Sitz in Wallenhorst ein vielfältiges Abbild seines Portfolios von Reifen für Agrar- und Baustelleneinsätze über Profile für kommunale Anwendungen bis hin zu forstwirtschaftlichen Bereifungsoptionen. Ähnlich vielfältig ging es am Stand von Ceat Specialty zu, wo unter anderem Raupenketten, neue VF-Reifen sowie das Forstreifensortiment vorgestellt wurden. 

YOHT und Yokohama TWS

Mit seiner Spezialreifensparte und deren beiden Marken Alliance und Galaxy war auch Yokohama in Hannover vertreten. Am Stand der Unternehmenseinheit Yokohama Off-Highway Tires (YOHT) waren gleich drei Alliance-Neuheiten zu sehen. Dazu zählte neben den beiden gänzlich neuen Profile Alliance 373 VibroFarm und Alliance Agriflex+ 373 die Erweiterung des Line-ups des bewährten Agri Star II. Als 65er-Serie ist der Traktorreifen ab sofort in 21 zusätzlichen Größen orderbar, womit laut Unternehmensangaben ein breites Spektrum an Vorder- udn Hinterradanwendungen abgedeckt werden.

Ihre Agritechnica-Premiere als Teil von Yokohama erlebten zudem Trelleborg und Mitas. Nach der erfolgten Übernahme durch den japanischen Hersteller agieren die beiden Marken seit wenigen Monaten unter dem Dach von Yokohama TWS im Markt. Trelleborg nutzte die Agritechnica, um den Start seines neuen, europaweit verfügbaren “Premium Care"-Programms zu verkünden. Nach einmaliger Registrierung erhalten Landwirte und Lohnunternehmer damit eine Garantieverlängerung auf ihre Trelleborg-Reifen sowie Zugang zu verschiedenen Schulungsmaterialien. Das Unternehmen wirbt zudem mit einer noch besseren und gezielteren Betreuung durch sein Expertenteam. Produktseitig ist die wichtigste Neuigkeit aus dem Hause Trelleborg der TM1 Eco Power, der laut Herstellerangaben bis zu 65 Prozent nachhaltige und recycelte Materialien – darunter recycelter Ruß, Bio-Nylon oder Öl auf Cashewnuss-Basis – enthält. Auf dem neuen Fendt e107 V Vario, der ebenfalls auf der Messe debütierte, kommt der TM1 Eco Power ab Werk zum Einsatz. 

Auch die Mitas-Verantwortlichen stellten die eigenen Produkte mit VF-Technologie ins Zentrum der Messepräsenz, darunter den neuen HC3000 R mit erhöhter Tragfähigkeit für Güllefässer. Auch die jüngsten Erweiterungen der Reihen Agriterra 02 Soil Protector (SP) sowie HC 1000 – speziell jene mit Narrow Rim Option (NRO) – waren Teil des Mitas-Auftritts.

Wachstumsambitionen bei Maxam und Goodyear Farm Tires 

Als Teil der Sailun-Gruppe war auch die Marke Maxam auf der Agritechnica zugegen. Mit neuen Größe und Spezifikationen der Serien AgriXtra, FlotXtra, und AgilXtra demonstrieren die Verantwortlichen die Wachstumsbestrebungen, die Sailun als Konzern insgesamt und die Marke Maxam im speziellen verfolgen. “Unsere Präsenz im Rahmen der Agritechnica 2023 in Hannover unterstreicht klar unsere zukünftigen Ambitionen im Bereich der landwirtschaftlichen Anwendungen. Der Fokus liegt dabei klar auf den Themen Zuverlässigkeit, Produktivität und Effizienz”, betonte Stephan Cimbal, Director Marketing Maxam Sailun Group Europe. Als positiv erachtet er in diesem Zusammenhang, dass immer mehr Landmaschinenherstellern auf der ganzen Welt – darunter etwa CNH Industrial mit den Marken New Holland und Case – auf Maxam-Reifen vertrauen. Sailun zählt nach eigenen Angaben zu den am schnellsten wachsenden Reifenmarken der Welt. 

Goodyear Farm Tires wiederum nutzte die Agritechnica insbesondere, um seine bereits im Vorfeld der Messe kommunizierten Pläne zum Ausbau der Vertriebsaktivitäten voranzutreiben. Insbesondere in Deutschland sei man auf der Suche nach weiteren Handelspartnern. Derzeit vermarktet Reifen Helm die Profile von Goodyear Farm Tires. Einblicke in das Portfolio der zu Titan International gehörenden Marke erhielten Messebesucher etwa am Beispiel des Goodyear Optitrac.

Fazit 

“Die Agritechnica ist der internationale Impulsgeber für eine nachhaltige, effiziente und innovative Landwirtschaft“, hatte DLG-Präsident Hubertus Paetow im Rahmen des traditionellen Max-Eyth-Abends zu Messebeginn gesagt. Mit Blick auf die Aussteller der Reifenbranche ist dieser Einschätzung durchaus zuzustimmen. Auch das hohe Besucheraufkommen ist als Bestätigung der Relevanz der Agritechnica zu werten. Insgesamt kam die Rekordzahl von mehr als 470.000 Besucherinnen und Besuchern aus 149 Ländern zur diesjährigen Agritechnica. Damit wurden die diesbezüglichen Erwartungen der Veranstalter vollends erfüllt. Auch die hohe Internationalität unter den Ausstellern sorgte für eine positive Bilanz. 

„Die Agritechnica 2023 hat als Weltleitmesse der Landtechnik gezeigt, wie höchst innovativ die Branche ist. Nach vier Jahren war es den Ausstellern endlich wieder in Präsenz möglich, hier in Hannover der Welt ihre Fülle an Neuheiten zu zeigen. Zudem haben alle wieder die persönlichen Gespräche und das Networking für entstehende Geschäftsanbahnungen genossen“, bilanziert Timo Zipf, Projektleiter der Agritechnica. Tobias Eichberg, Geschäftsführer der DLG Service GmbH, ergänzt: „Das Herz der internationalen Landtechnikbranche schlägt im Takt der Agritechnica und 2023 hat den Herstellern gezeigt, welche Pulsfrequenz die richtige ist, um ihre Entwicklungen am Markt zu platzieren, nämlich zwei Jahre.“ Entsprechend findet die nächste Messeausgabe im Jahr 2025 – genauer gesagt vom 9. bis 15. November – statt. (dw)

Agritechnica Gabriella Usiello Beatrice Pantano, BKT
Ceat, Agritechnica
Agritechnica Elio Bartoli, Trelleborg Mitas Yokohama TWS
Agritechnica Acenso
Agritechnica Chrsitian Kötz, Philip Nelles, Continental
Agritechnica Stephan Cimbal, Maxam, Sailun
Agritechnica Deutz-Fahr Traktor
Agritechnica Elena Bounimovitch YOHT Yokohama
Agritechnica Bohnenkamp
Agritechnica Guido Boerkamp Apollo
Agritechnica Jutta Rekimies Nokian Heavy Tyres
Agritechnica ZC Rubber Tianli
Agritechnica Saanya Subasinghe GRI
Scott Sloan Agritechnica Titan Goodyear
Agritechnica 2023 Michelin
Agritechnica Petlas Okyanus Tuna

Ähnliche Artikel

The Tire Cologne
Die Branche zeigt Präsenz in Köln
The Tire Cologne 2024
Conti Messe
Conti stellt nachhaltige Mobilität ins Zentrum der TTC-Präsenz
The Tire Cologne 2024
Ingo Riedeberger Koelnmesse
Zentrum der Reifenwelt
The Tire Cologne
Pirelli TTC
Messepräsenz von Pirelli
The Tire Cologne