Team-Geschäftsführer Gerd Wächter zu “Vulki & Co.”

“Ausbildungsberufe im Reifenhandel und Handwerk haben kein gutes Image”

Gerd Wächter Top Service TeamTop Service Team-Geschäftsführer Gerd Wächter will die Attraktivität für Ausbildungsberufe im Reifenhandel stärken.   Foto: Top Service Team

Mit der Kampagne „Vulki & Co.“ adressieren Sie als Reifenhandelskooperation Top Service Team gezielt die „Generation Z“. Wie muss die Ansprache für den Nachwuchs von heute sein?

Gerd Wächter: Wir möchten mit dieser Kampagne zwei Dinge erreichen. Die Ausbildungsberufe im Reifenfachhandel/Handwerk sind wenig bekannt oder haben kein gutes Image. Deshalb haben wir den "Vulki" – also Mechaniker für Reifen und Vulkanisationstechnik – bewusst in den Vordergrund der Kampagne gerückt. Junge Menschen, die sich für Mobilität interessieren, möchten wir für eine Ausbildung im Reifenfachhandel begeistern. Der Weg zur Generation Z muss auf jeden Fall digital und sehr direkt sein. 

Mit Varion haben Sie einen Influencer gewonnen, der über eine beträchtliche Reichweite verfügt. Die Videos der Kampagne sind durchaus derbe im Ton. Die humorige Seite soll Türen öffnen. Über 160.000 Aufrufe hat das Video “Kfz-Lehrling im Reifenwechsel” allein bei YouTube – konvertiert die Kampagne in gewünschten Maße?

Gerd Wächter: Es ist sicher noch zu früh, um ein Fazit zu ziehen. “Vulki & Co” ist als mehrjährige Kampagne angelegt und läuft in verschiedenen Phasen: Wir konnten mit dem bewusst gewählten Kampagnenstart mit dem Influencer Varion bis dato rund zwei Millionen Videoimpressionen erreichen, 520.000 via Meta, sowie mehr als 780.000 über TikTok. Die Resonanz war durchweg positiv und wir sind mit dem ersten Step der Kampagne sehr zufrieden. Im zweiten Step werden nun alle Team-Gesellschafter ihre lokalen Aktivitäten starten, um konkrete Leads zu erzeugen und Bewerber für Ausbildungsberufe zu bekommen.

Sie sagten im Rahmen der BRV-Mitgliederversammlung, dass herkömmliche Recruiting-Wege irrelevant geworden seien – “mit Stellenanzeigen werden wir keine Auszubildenden mehr für uns gewinnen können.” Ist es wirklich so dramatisch? Muss man als Werkstatt oder Reifenhandelsbetrieb also eine(n) Social-Media-Beauftragte(n) installieren?

Gerd Wächter: Die jungen Menschen suchen ausschließlich digital. Die Eltern vielleicht in zwei Welten – digital und analog über Stellenanzeigen. Wir müssen uns als Arbeitgeber bei den Kandidaten bewerben und interessant machen. Daher ist es wichtig, die herkömmlichen Wege zu verlassen und direkt den Kontakt zu den möglichen Kandidaten zu finden. Auf unserer Landingpage der Kampagne genügt uns eine Mobilnummer des Interessierten, um proaktiv den Kontakt und das Gespräch zu suchen.

Unter der gemeinsamen Dachmarke, aber individualisiert auf die einzelnen Gesellschafter will die Team-Kooperation mittels der Recruiting-Kampagne die Attraktivität der Ausbildung im Reifenhandwerk aber auch den dualen Ausbildungsberufen verdeutlichen. Zusammengefasst – was sind denn die Hauptargumente, ein “Vulki” zu werden?

Gerd Wächter: Die Team-Kooperation hat schon seit ihrer Gründung 1977 eine eigene Trainingsakademie und der Aus- und Weiterbildung einen hohen Stellenwert eingeräumt. Für Mobilität an sich interessieren sich viele junge Menschen, jedoch ist der Ausbildungsberuf des Mechanikers für Reifen und Vulkanisationstechnik gänzlich unbekannt. Mobilität findet aber in vielen unterschiedlichen Ausprägungen statt. Zusätzlich spielt Nachhaltigkeit im Tun und Handeln eine zunehmend wichtigere Rolle. Daher können wir, die das gesamte Produktspektrum an Reifen anbieten, auf die Runderneuerung und Reparatur von Reifen nicht verzichten. Es braucht den Vulki! Für die kaufmännischen Berufe in unserer Kooperation bieten wir zusätzlich mit unserer nationalen Zusammenarbeit mit der FOM Hochschule für Berufstätige auch einen dualen Weg zur Weiterbildung an.

Nun konkret zu Ihrer Frage: Die Hauptargumente sind die Vielseitigkeit der Aufgaben im Bereich Mobilität und Dynamik der Weiterentwicklungen, eine hohe Eigenverantwortung im Job, ein sehr gutes Betriebsklima im familiär geführten Mittelstand, eine faire Bezahlung und die Vielfalt an freiwilligen Zusatzleistungen der jeweiligen Unternehmen in der Kooperation.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die eigentlich recht ordentlich ausgeprägte kooperative Haltung im Reifenhandel zu fördern und auch im Recruiting zu nutzen?

Gerd Wächter: Wir sind ja gerade dabei, eine Dachmarke „Vulki & Co.“ aufzubauen. Wie bereits erwähnt, gehören dazu viele Einzelaktivitäten der Kooperationsmitglieder der Team vor Ort. Wenn wir es schaffen, dass viele Einzelunternehmen und Kooperationen im Schulterschluss mit uns diese Kampagne weiter nach vorne treiben, dann wird die Dynamik sicher allen und damit der gesamten Branche helfen.

Ein Beispiel: Unsere Bekleidung der "Vulkis" – das sind Hoodies, T-Shirts und Caps – erlebt eine rege Nachfrage auch von Mitbewerbern. Hier gibt es sicher Ansatzpunkte für einen engeren Austausch innerhalb der Branche. Selbstredend können Marktbegleiter bei Team aktiv mitmachen. Darüber würde ich mich freuen. Es muss aber auch in der gesamten Branche, das heißt im Verband und bei unseren Marktbegleitern etwas passieren. Wenn nur die erwähnten 169 Betriebe in unserer Branche bundesweit ausbilden, muss sich das auf jeden Fall ändern! Parallel müssen die Zugangsvoraussetzungen des Vulkis für die neue Mobilität geschaffen werden, um die Attraktivität des Berufsbildes zu erhöhen. Auch hier arbeitet Team im Schulterschluss mit dem BRV an Lösungen.

Der Influencer Varion trifft offensichtlich den Ton eines Teils der jüngeren Generation – die Zahl der Aufrufe bei YouTube belegt es. 

Ähnliche Artikel

Alfred Wolff point S
“Wir können nur ermutigen, sich die Stundenverrechnungssätze aus dem Autohaus-Segment anzuschauen”
point S-Geschäftsführer Alfred Wolff im Interview
Jürgen Walter Euromaster
“Es gibt ein riesiges Potenzial in Deutschland”
TTC: Euromaster formuliert Wachstumsambitionen
Prof. Dr. Sascha Friesike
“Wir werden keine Organisation digital transformieren, ohne dass es hier und da knirscht”
Prof. Dr. Sascha Friesike im Interview
Jan Knoll Motoo
“Der Plan ist, mittelfristig auf 100 bis 150 Mitglieder zu kommen”
Jan Knoll über die Motoo-Pläne