ZDK-Präsident Arne Joswig im Interview

“Es ist nicht akzeptabel, wenn Hersteller sich das Beste aus zwei Welten herauspicken”

ZDK Arne JoswigIst seit Juni 2023 Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe: Arne Joswig.   Foto: ZDK

Herr Joswig, die Pläne zum Verkauf der Mercedes-Autohaus-Niederlassungen werden konkret. Vor einigen Jahren bereits wurden Betriebe verkauft, die nun größtenteils profitabel betrieben werden. Was können mittelständische Unternehmen im Handelsgeschäft besser als der Automobilriese Mercedes-Benz, der den Filial-Vertrieb seiner Fahrzeuge konzern-integriert nicht als Zukunftsgeschäft identifiziert?

Arne Joswig: Wenn ein bedeutender Hersteller wie Mercedes-Benz ankündigt, sich von den konzerneigenen Handelsniederlassungen trennen zu wollen, dann hat das sicher verschiedene Gründe. Es spricht aber auch dafür, dass die überwiegend von mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern geführten Automobilhandelsunternehmen einen guten Job machen. Denn bereits vor einigen Jahren haben solche Handelsunternehmen einige Mercedes-Benz-Niederlassungen übernommen und führen sie sehr erfolgreich.

Sie sagten in diesem Kontext an anderer Stelle bereits, dass der stationäre Automobilhandel unverzichtbar ist. Was macht ihn unverzichtbar?

Arne Joswig: Unsere rund 36.000 Autohäuser und Werkstätten mit ihren knapp 430.000 Beschäftigten arbeiten täglich daran, dass unser Land mobil bleibt. Und die Kunden kommen zu uns, wenn sie Beratungsbedarf haben. So liegt der Beratungsaufwand bei E-Fahrzeugen um rund 40 Prozent höher als bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen. Wir kennen unsere Kunden und ihre Bedürfnisse am besten. Wir merken: Der Wunsch nach bezahlbarer Mobilität ist ungebrochen. Auch für die politischen Ziele des Klima- und Umweltschutzes und der Verkehrssicherheit sind wir mit den Dienstleistungen der Werkstätten und Händler Teil der Lösung. Weniger Aktionismus und gute Rahmenbedingungen seitens der Politik würden ebenfalls helfen.

Mercedes hat für die insgesamt 83 Autohäuser offenbar einen Investitionsbedarf von rund 800 Millionen Euro errechnet, um diese wettbewerbsfähig zu machen – so berichten es mehrere Medien. Derartige Zahlen lassen potenzielle Übernahmekandidaten sicher vorsichtig agieren. Welche Herausforderungen sind ihrer Ansicht nach die Größten bei einer Übernahme von Niederlassungen?

Arne Joswig: Es kommt jetzt auf die zukünftigen Investoren an, die aus unserer Sicht gern wieder aus dem mittelständischen Automobilhandel kommen könnten. Dabei ist davon auszugehen, dass ja sicher nicht alle zum Verkauf stehenden Niederlassungen im Paket veräußert werden.

In vielen Branchen sieht man die eindeutige Tendenz zum Direktvertrieb. Zwischengeschaltete Handelsebene werden degradiert oder ausgeschaltet. Warum wird dies im Autohandel in dieser Wucht nicht passieren? Und worauf müssen sich Akteure im Autohandelsgeschäft in Zukunft dennoch vorbereiten? Ohne eCommerce kann die Branche nicht zukunftsfähig agieren.

Arne Joswig: Auch der fabrikatsgebundene Fahrzeughandel sieht sich zurzeit in besonderem Maße mit den Plänen der Hersteller und Importeure zur Neuregelung des Vertriebs konfrontiert. Die Umstellung auf ein echtes Agentursystem verfolgt die Mehrzahl der in Deutschland aktiven Marken. Dadurch verliert der Händler seine unternehmerische Selbstständigkeit, der Hersteller gestaltet den Vertrieb und trägt dessen geschäftliche Risiken und Kosten. Darüber hinaus wollen einige Importeure am bewährten Vertragshändlersystem festhalten, andere wiederum stellen um auf ein unechtes Agentursystem. Problematisch wird das insbesondere dann, wenn dies zu einem Mischsystem führt: Für die Verbrennerfahrzeuge wird das bisherige Vertragshändlersystem beibehalten, und für einen bestimmten Teil der Modellpalette – zum Beispiel Elektrofahrzeuge – oder eine bestimmte Kundengruppe wie Großkunden wird ein sogenanntes unechtes Agentursystem eingeführt. Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel. Insgesamt gilt: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und eine wirtschaftliche Auskömmlichkeit gegeben ist, kann ein Systemwechsel durchaus Vorteile haben. Es ist jedoch nicht akzeptabel, wenn Hersteller sich das Beste aus zwei Welten herauspicken, indem sie die Preise bestimmen und Zugriff auf die Kundendaten haben wollen, gleichzeitig aber sehr zurückhaltend sind, wenn es um Investitionen und die Übernahme von Kosten und Risiken geht und gleichzeitig die Marge reduzieren. Hier brauchen wir klare Spielregeln.

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