Publikation listet aktuellen Forschungsstand auf

Fraunhofer UMSICHT fordert, beim Reifenabrieb “ins Handeln zu kommen”

AdobeStock_Verkehr_webRund 1,5 Milliarden Kraftfahrzeuge waren im Jahr 2023 weltweit zugelassen.  Foto: Dmytro - stock.adobe.com

Für die Studie, die den aktuellen Forschungsstand beim Thema Abrieb darstellt, arbeitete das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Carnegie Mellon University (CMU) aus Pittsburgh/Pennsylvania zusammen. Aufgelistet werden sämtliche technischen und nicht-technischen Maßnahmen, mit denen sich Emissionen aus Reifen- und Fahrbahnabrieb in die Umwelt vermeiden und bereits eingetragene Mengen reduzieren lassen. Die peer reviewed Publikation trägt den Titel “Review: Mitigation measures to reduce tire and road wear particles” (etwa “Bewertung: Maßnahmen zur Verringerung von Reifen- und Straßenverschleiß-Partikeln”). Sie wurde im internationalen Journal Science of The Total Environment veröffentlicht. 

Die Erstellung der Studie erfolgte im Auftrag der European Tyre & Rubber Manufacturers‘ Association (ETRMA) und der U.S. Tire Manufacturers Association (USTMA). Dafür haben die Wissenschaftler:innen und Wissenschaftler des Fraunhofer UMSICHT und ihre Kolleg:innen vom KIT sowie der CMU nach eigenen Angaben mehr als 500 Fachliteraturquellen ausgewertet. Basierend darauf wurde der aktuelle Stand an Minderungsmaßnahmen für sogenannte Tyre and Road Wear Particles (TRWP) kategorisiert und bewertet. Auch zukünftige Trends wie E-Mobilität und autonomes Fahren wurden nach Aussage der Forschergruppe berücksichtigt. “Wirksame Maßnahmen, die die Entstehung und Verbreitung von Reifenabrieb reduzieren, liegen uns nun übersichtlich vor. Jetzt gilt es, ins Handeln zu kommen und die Maßnahmen zeitnah anzuwenden”, bilanziert Ralf Berling vom Fraunhofer UMSICHT.

Unbekannte Folgen für die Umwelt 

Die alleine in Deutschland jährlich anfallende Menge Reifenabrieb beläuft sich nach Schätzungen des Fraunhofer UMSICHT auf 60.000 bis 100.000 Tonnen. Dies entspräche einem rechnerischen Mittel von etwa 1.000 Gramm Reifenabrieb pro Einwohner:in und Jahr. “Es ist wissenschaftlich belegt, dass Reifenabrieb eine relevante Quelle für Mikroplastik ist”, heißt es diesbezüglich seitens des Instituts. Die Zahl von weltweit rund 1,5 Milliarden zugelassenen Kraftfahrzeugen im Jahr 2023 bestätige das. 

Der Abrieb der Reifenlauffläche verbindet sich mit Material der Fahrbahnoberfläche sowie weiteren Partikeln wie Sand, Straßenstaub oder sedimentiertem Feinstaub aus der Atmosphäre zu den genannten TRWP. Solche Partikel wiederum gelangen durch Niederschläge, Wind oder fahrzeuginduzierte Aufwirbelung von der Straße weiter in Luft, Wasser und Boden. ”Einmal dort angekommen, ist der Reifen- und Fahrbahnabrieb nur schwer wieder zu entfernen und verbleibt in der Regel über lange Zeit – mit noch weitestgehend unbekannten Folgen für die Umwelt”, schreibt das Fraunhofer UMSICHT in einer Mitteilung. 

Als mögliche Präventivmaßnahmen nennen die Forscher:innen eine ganze Reihe an Optionen von Geschwindigkeitsreduzierungen, einer defensiven Fahrweise über Straßenreinigungen bis zu passenden Behandlungsmethoden bei der Straßenentwässerung. Auch technische Ansätze wie die optimale Verteilung von Antriebsmomenten oder die Steigerung der Reifenabriebresistenz könnten Abhilfe schaffen. Potenzial sieht das Fraunhofer UMSICHT ferner in der Schadstoffnorm Euro 7 aus dem Dezember letzten Jahres, in der es erstmals Grenzwerte für Bremsen- und Reifenabrieb geben soll. Diese und weitere Ansatzpunkte, vielversprechende Forschungsfelder sowie nach wie vor existente Wissenslücken werden in der jüngsten Publikation umfassend behandelt. 

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