Werke im Wandel

Nachhaltige Produktionsversprechen

Continental-Reifenwerk_lousado_webDas “ISCC Plus”-Zertifikat bescheinigt Continental die Einhaltung “besonderer Nachhaltigkeitsstandards” in seiner Fabrik in Lousado.  Foto: Continental

Man kann die Bestrebungen hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Produktion als Selbstverpflichtung für eine bessere Kreislaufwirtschaft lesen, als Überlebensnotwendigkeit, oder in Teilen auch als Marketing-intendiert – von allem etwas vermutlich. Eine hundertprozentig nachhaltige Produktion kann es nicht geben, solange Ressourcen verbraucht werden, die nicht aus Recyclingprozessen generiert werden können. Komplett CO2-neutral wolle man bis 2030 oder bis 2050 produzieren, liest man in Mitteilungen zu Unternehmensstrategien häufig. Automobilhersteller und Zulieferer müssen die Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Wertschöpfungsketten neu definieren – es gilt gesetzliche Vorgaben einzuhalten, kosteneffizient zu produzieren, aber auch das sich wandelnde Bedürfnis der Konsumentenschaft zu bedienen. Nachhaltigkeit wird zum zentralen Verkaufsargument. Wer hier nicht liefert, ist geliefert.

Zur Bedeutung des Megatrends “Nachhaltigkeit” in der Automotive-Branche liegen zahlreiche Erhebungen vor. Deloitte hat als eine der größten Prüfungs- und Beratungsgesellschaften bereits 2021 kommuniziert, dass Nachhaltigkeit zum Kerngeschäft wird. Es gelte noch viele Hürden zu nehmen, “etwa bei der Dekarbonisierung, beim Aufbau ganzheitlicher Strategien und im Bereich Finanzierung”. Die Beratungsgesellschaft hatte Führungskräfte von Herstellern und Zulieferern für die “Deloitte Sustainability Survey” befragt. Das Problembewusstsein sei bereits sehr hoch, was in Teilen einem hohen Regulationsgrad geschuldet sei. Die relevanten Akteure müssen ihre CO2-Emissionen senken. Da Lieferanten und Lieferketten für eine effektive Nachhaltigkeitsstrategie eine hohe Relevanz hätten, was auch durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) dokumentiert werde, bestehe noch viel Nachholbedarf. Dies gelte nach Angaben von Deloitte in noch höherem Maß für die angemessene Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette bei den Nachhaltigkeitsstrategien selbst. 

Auch die Lieferanten und OEMs werden also stärker in den Blick genommen. Relevante Zulieferer aus dem Reifenbereich wie Continental, Bridgestone, Hankook oder Goodyear vermelden regelmäßig den Erhalt von Nachhaltigkeitszertifizierungen ihrer Werke. Das Zertifikat “International Sustainability and Carbon Certification (ISCC) Plus” soll Conti beispielsweise die Einhaltung besonderer Nachhaltigkeitsstandards in seiner Fabrik in Lousado bescheinigen. Auch die Transparenz bei der Rückverfolgbarkeit der im Produktionsprozess eingesetzten Rohstoffe werde bestätigt. Der Reifenhersteller aus Hannover formuliert den Anspruch einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit der Materialien aus nachhaltigen Quellen. Bis 2050 will Continental eine Reifenproduktion aus 100 Prozent nachhaltigen Materialien realisieren. “Komplett klimaneutral werden” lautet der Auftrag. Als Vorzeigeprodukt nennen die Unternehmensverantwortlichen den in Portugal vom Band laufenden Reifen UltraContact NXT. Dieser sei der derzeit nachhaltigste Serienreifen auf dem Markt, mit einem Anteil von bis zu 65 Prozent nachwachsenden, wiederverwerteten und Massenbilanz-zertifizierten Materialien. 

Natürlich muss man bei all den sich “grün” lesenden Ausführungen immer den Marketingaspekt mitdenken. Es existiert noch immer eine signifikante Diskrepanz zwischen kommunizierten und tatsächlich umgesetzten Nachhaltigkeitszielen. Dies gilt für sämtliche Akteure der Branche. Unbestreitbar aber ist, dass das Thema der nachhaltigen Produktion von vielen Firmen mit Anspruch verinnerlicht worden ist. Die Trennlinie zwischen moralischen und wirtschaftlichen Argumenten verliert mit zunehmender Umstellung der Produktionsweisen ihre Bedeutung. Die Industrie handelt, weil sie muss. Und verkaufen lassen sich “grüne” Produkte weitaus besser.

Eine der Aufgaben bei Umstellung der Produktionen besteht darin, höhere Preise für entstandene Mehrkosten durchzusetzen, oder kostengünstig an nötige Ressourcen zu gelangen. Kostenintensiv ist auch die Anpassung von Produktionsabläufen. Hinzu kommen Investitionen in die Forschung, Qualitätsabfälle durch nachhaltigere Materialien sind nicht zu kompensieren. Klar ist: Das Thema Nachhaltigkeit kann nur ganzheitlich begriffen werden, betrifft ökologische, wirtschaftliche und soziale Ebenen gleichermaßen. Was nachhaltig ist, muss fortlaufend nachjustiert werden. Aber wie bereits bemerkt: die Unternehmen, die ihre Produktionsweisen und Produktstrategien nicht nachhaltig ausrichten, werden vom Markt verschwinden.

In verschiedenen Schwerpunkten beleuchten wir die Themenkomplexe Recycling, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit – Online, in Print und in unserer Podcast-Reihe

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