Tipps zur Montage von (U)UHP- und Runflatreifen

“Optimierungsbedarf besteht bei den Betrieben in der Aus- und Fortbildung”

Michael Immler Dieter VierlbeckMichael Immler (r.) nimmt von Dieter Vierlbeck, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Geschäftsführer des Bayerischen Handwerkstages, eine Ehrung für sein langjähriges Engagement entgegen.  Foto: Immler

Herr Immler, über die Besonderheiten der Entwicklung und Herstellung von (U)UHP-Reifen haben wir bei Automotive Insights bereits ausführlich berichtet. Die zugehörige Montage ist ebenso speziell. Warum ist bei dieser Reifenart besonderes “Fingerspitzengefühl” gefragt?

Michael Immler: (U)UHP- und Runflat-Reifen haben aufgrund ihres Höhe/Breite-Verhältnisses in der Regel schmale Seitenwände. Zudem reicht oftmals die Umkehrlage bis zur oberen Dekorlinie der Reifenseitenwand. Dies verstärkt und versteift die Seitenwand. Bei der (De)Montage sollte die Seitenwand aber eher weich und flexibel sein um die auftretenden Kräfte aufnehmen zu können. Wenn der Monteur Aufbau und Konstruktion des Reifens nicht kennt und zudem noch etwas “grobmotorisch” arbeitet, treten Fehler und Schäden auf, welche nicht bemerkt werden. In der Regel dringt die Luft im Reifen dann in den Reifenaufbau ein. Dies führt dann zu Trennungen, welche sich im Fahrbetrieb erweitern und im Worst Case den Reifen in seiner Tragfähigkeit so mindert, dass es zum Totalausfall kommt.

Welche Rolle spielt die Wahl des Equipments für die korrekte Durchführung solcher Montagearbeiten? Die entsprechenden wdk-Zertifikate schließen das ja ausdrücklich mit ein.

Michael Immler: Sowohl der Montagemaschine als auch dem mitgelieferten Zubehör kommt eine große Bedeutung zu. Sogenannte Tellermaschinen mit Zusatzniederdrücker und diversen Zubehör wurden im Rahmen der wdk-Zertifizierung nachgerüstet und optimiert, um UHP- und Runflat-Reifen schadenfrei montieren zu können. Die Tellermaschinen, welche in der Regel mit einer Zentralspannung, d. h. Befestigen des Rades mittels Centerclamping sowie mit Rollen zum Abdrücken und Montieren, ausgestattet sind, werden inzwischen auch seitens der Fahrzeughersteller empfohlen. Bei diesen Montagemaschinen wird der Monteur entlastet und der (De)Montagevorgang benötigt in der Regel kein Montiereisen mehr. Auch diese Maschinen sind wdk-zertifiziert. 

Wichtig – und außerdem Bestandteil der Sachmängelhaftung – ist die korrekte Einweisung durch den Maschinenhändler oder Hersteller. Hier ist immer wieder festzustellen, dass diesem Punkt nicht die Bedeutung zuerkannt wird, obwohl Einweisung und Handbuch nach dem geltenden Recht einen wesentlichen Bestandteil darstellen. Die Dienstleister im Reifenfachhandel sollten unbedingt darauf achten, wdk-zertifizierte Montagemaschinen einzusetzen, da dies heute als Stand der Technik anerkannt ist. Wenn Maschinen ohne Zertifikat eingesetzt werden, muss im Haftungsfall der Montagebetrieb im Einzelfall nachweisen, dass er nach dem Stand der Technik arbeitet.

Welche grundlegenden Faktoren sind darüber hinaus zu beachten?

Michael Immler: Auch wenn sich oftmals nicht daran gehalten wird, ist die Mindestkerntemperatur der Wulst mit 15°C festgeschrieben. Die Idealtemperatur wurde in zig Versuchen in Zusammenarbeit mit der MPA Darmstadt mit ca. 24°C ermittelt. Bei Nichteinhaltung dieser Temperatur erhöht sich die Schadenshäufigkeit wesentlich. Zudem werden ca. 20 bis 30 Prozent höhere Kräfte bei Montage und Demontage benötigt.

Ein weiteres Kriterium zur Vermeidung von Schäden ist die richtige Montagepaste. Hier wurden in Versuchen gravierende Unterschiede bei der Gleitfähigkeit und bei den Trocknungszeiten ermittelt.

Wo sehen Sie bei der Thematik den größten Optimierungsbedarf? An welchen Stellen gilt es Ihrer Einschätzung nach anzusetzen?

Michael Immler: Optimierungsbedarf besteht im Reifenfachhandel und bei den Betrieben, welche (U)UHP- und Runflat-Reifen montieren, in der Aus- und Fortbildung. Reifen montieren wird nach wie vor als „minderwertige“ Tätigkeit gesehen, die jeder kann, auch wenn die Gutachten zeigen, dass es nicht so ist. Zudem ist den wenigsten bewusst, dass eine Zertifizierung des Monteurs eine personenbezogene Fortbildung ist. Das heißt, dass zum Einen diese Montagen nur der wdk-geschulte Mitarbeiter ausführen darf, und dass zum Anderen der Betrieb keinen zertifizierten Monteur mehr hat, wenn dieser das Unternehmen verlässt.

Zudem ist in Sachen Bewusstsein auch noch anzumerken, dass durch die Darstellung der Maschinenhersteller in der Werbung, wo kleine Jungs oder Frauen mit leichtem Fußdruck UHP- und Runflat-Reifen montieren, vermittelt wird, dass diese Tätigkeit locker und ohne Kenntnisse ausgeführt werden kann. Hierzu ist anzumerken, dass bisher keine Maschine im Vollautomatischen Bereich wdk-zertifiziert wurde. Es bedarf hier einer anderen Art von Montageausführung. Der Monteur muss Hilfestellung geben, den Montagevorgang überwachen und im richtigen Moment bei schwierig zu montierenden Rad/ Reifenkombinationen eingreifen um einen Totalschaden an der Wulst zu vermeiden.

Ähnliche Artikel

Simone Kesch – Autowerk Düsseldorf
Simone Kesch – als Quereinsteigerin ins Kfz-Gewerbe
Podcast
wdk Stephan Rau Michael Immler Trainmobil
wdk weitet Zusammenarbeit mit Trainmobil aus
(U)UHP- und Runflat-Reifenmontage
Motorradreifen-Montage
Dos und Don’ts in der Motorradreifen-Montage
Zweiradservice Wolfis Garage
 Reifen Casteel Ralph Flach
Mehr Tradition geht nicht
Reifen Casteel im Porträt