Winterreifen für E-Autos und große SUV im Test

Seriensieger Bridgestone Blizzak LM005

Spitzengummi: Der Bridgestone Blizzak LM 005.  Foto: Bridgestone

Das Medium auto motor und sport wollte “die besten Winterreifen für E-Autos und große SUV” ermitteln. Gefahren für die Prüfeinheiten auf dem vollelektrischen Stromer Kia EV 6 und dem Kia Sorento mit klassischem Dieselmotor. Warum aber der doppelte Aufwand? “Nun, weil wir sehen wollten, ob und wie sich Unterschiede in der Antriebsform auf das Ergebnis eines Reifentests auswirken”, beschreibt Reifentester Thiemo Fleck das doppelte Ziel dieser Unternehmung, für das die Tester in den skandinavischen Norden nach Finnisch-Lappland reisten. Die Verbindung von Reifentest und Antriebsart scheint eine Besonderheit der ams zu sein, denn im Grunde setzen die Stuttgarter Tester damit ihren Test aus dem Frühjahr dieses Jahres fort, nur diesmal eben mit Winter- anstatt mit Sommerreifen. DIe Bilanz: Kein Kandidat war richtig mies, wenn als schlechteste Note ein “befriedigend” vergeben werden konnte.

Seriensieger Bridgestone Blizzak LM 005

“Bei der Mehrzahl der Anforderungen, die mitteleuropäische Winter an Reifen stellen, sind breite Schlappen dynamisch eindeutig überlegen”, erläutert Fleck die Wahl der getesteten Reifendimension. Allerdings ist das Angebot nicht ganz so üppig wie bei einer schmaleren Ausführung, noch dazu mit dem Geschwindigkeitsindex V (=240 km/h). So schaffen es also nur sieben Testkandidaten in die Auswahl. Darunter immerhin drei neue Winterprodukte: Der Falken Eurowinter HS02 Pro, der Goodyear Ultragrip Performance 3 und der Pirelli Scorpion Winter 2 Elect. Die weiteren Gummis lauten Bridgestone Blizzak LM005, Continental TS870 P, Michelin Pilot Alpin 5 SUV und Vredestein Wintrac Pro. Vorweg: Der Seriensieger Bridgestone Blizzak LM005 fährt einen weiteren Testsieg ein. 

Nässedisziplinen besonders wichtig

Es ist nicht unerheblich für einen Reifentest, welche Ansprüche die Tester selbst an einen funktionierenden Winterreifen stellen. Damit hält die ams auch nicht hinter dem Berg. Thiemo Fleck erläutert ein wichtiges Bewertungskriterium, das letztlich auch den Siegerreifen definiert: Da “Schnee in Mitteleuropa häufig nur als kalter Regen fällt, müssen Winterpneus den nassen Fahrbahnzustand besonders gut beherrschen.” Die Nässedisziplinen gehen final in die Gesamtbewertung mit 35 Prozent besonders stark ein. Die Schneedisziplinen fallen nur mit 20 Prozent ins Gewicht. Auch die Trockeneigenschaften prägen mit 30 Prozent das Endergebnis deutlich stärker, die Umwelteigenschaften wie Rollwiderstand oder Geräusch gehen mit 15 Prozent in die Bewertung ein. Es sind nicht weniger als 19 Disziplinen, die die Kandidaten durchlaufen müssen. “Handling” wird auf allen Untergründen doppelt gewertet, sowohl nach Zeit als auch subjektiv, der Bremsweg bestimmt die Kapitelwertung mit jeweils 40 Prozent am stärksten. Keine Disziplin wird ausgelassen: fünf Tests im Schnee (Seitenführung, Traktion usw.), sechs auf Nässe und im Trockenen. Die Umweltwertung bestimmt der Rollwiderstand mit 70 Prozent, hinzu kommt das Reifengeräusch.

Die Auswahl der Tester kennt keine schlechten Reifen. Vier von sieben erhalten die Note “sehr gut”, einer gut und der Falken Eurowinter HS02 Pro rollt immer noch mit der Note “befriedigend” durchs Ziel. Nicht so gut kommt dabei allerdings an, dass das Schlusslicht im Test gleichzeitig auch der teuerste Reifen im Feld ist. Und zwar deutlich: Mit einem ermittelten Preis von 398 Euro liegt der Falken rund hundert Euro über dem Testsieger Bridgestone Blizzak LM005.

Der Bridgestone-Reifen überzeugt so sehr, dass die Tester sogar eine neue Schulnote im Bewertungssystem erfinden: das Urteil lautet “überragend”. Das verdankt der Kandidat besonders seinen Nässeeigenschaften: “Auf Nässe … leicht kontrollierbarer Reifen mit überragendem Grip und bestem Aquaplaningschutz.” 9,9 von 10 Punkten kommen so zusammen! Hinzu kommt: “Starkes Trockenbremsen, beste Kurvenfestigkeit, Untersteuertendenz mit starken Reserven.” sowie “bester Rollwiderstand”. Ein starker Reifen mit kleinem Wermutstropfen allerdings, der auf Schnee leider nur “okay” ist und in diesem Kapitel nur 7,5 von 10 möglichen Punkten erreicht.

In diesem Kapitel kommt der zweitplatzierte Goodyear Ultragrip Performance 3 mit 8,9 von 10 Punkten im Schnee deutlich besser weg und kann auf allen Untergründen gleichweg überzeugen. So viel Ausgewogenheit bringt dem Kandidaten die Note “sehr gut” ein: “Sehr breit aufgestellt. Der neue Goodyear ist bei jedem Wetter vorn dabei” lautet der “Quick-Check” im Testbericht. Ein weiteres “sehr gut” erhält der Michelin Pilot Alpin 5 SUV insbesondere auch durch seine überragende Performance auf Schnee: “Sehr gute Traktion, Seitenführung und Bremsleistung auf Schnee.” Der Michelin ist der Schneekönig unter den sieben Probanden, aber auch in den anderen Disziplinen passt die Leistung: “Gute Nasshaftung und Aquaplaningsicherheit. Auf trockener Fahrbahn stabil, präzise, fahrsicher und komfortabel”, protokollieren die Tester. Dritter im Bunde der “sehr gut” bewerteten Kandidaten ist der Continental TS870 P. Er kann mit den besten Rollwiderstandswerten aufwarten, die aber “durch Einschränkungen beim Nassbremsen” erkauft werden. Man kann eben nicht alles haben. Reifenentwickler sprechen hier von einem Zielkonflikt. Fortschritte in einer Disziplin erzeugen Nachteile in einer anderen Disziplin. Conti zielt mit diesem Reifen besonders auf die Besitzer von E-Autos. Der Pirelli Scorpion Winter 2 Elect komplettiert das Reifenquartett der “sehr gut”-Klasse im Test. Allerdings kommt doch etwas Kritik auf. Neben den sehr guten Werten auf Schnee und im Trockenen fällt der Pirelli auf Nässe etwas ab. Dem neuen Scorpion fehle auf Nässe noch ein wenig Biss, so im Handling etwa oder beim Aquaplaning. 

Immer noch “gut” bewertet wird auf Platz sechs der Vredestein Wintrac Pro. Seine Vorteile als nebenbei preiswertester Reifen im Test: “Gute Traktion und ordentliche Bremsleistung auf Schnee. Durchweg gute, tadellose Nässeeigenschaften … Ausgewogene Trockendynamik”. Der günstige Vredestein beherrscht die Basics, die Tester registrieren nur “leichte Defizite”, etwa “geringer Kurvengrip auf Schnee”, im Kurvenaquaplaning oder beim Geräusch - Dinge mit denen man leben kann. Mit der Note “befriedigend” wird der recht hochpreisige Falken Eurowinter HS 02 Pro Schlusslicht im Test. Immerhin kann der Pneu mit passablen Leistungen auf nassen (“gute Haftung") und trockenem Geläuf aufwarten. “Schnell in trockenen Kurven", loben die Tester. Seine Schwäche liegt im Schnee: “Zu lastwechselempfindlich”, es erfolgt eine Abwertung.

Vergleich E-Auto versus Verbrenner

Aber auch die Beobachtungen im Vergleich der beiden Antriebsarten sind interessant. Die Ergebnisse der Reifentests bei den standardisierten und objektiven Disziplinen wie Bremsen, Traktion oder Seitenführung unterschieden sich nicht. Im subjektiven Testbetrieb etwa bei Handlingfahrten traten wohl doch Unterschiede zutage, etwa weil “der EV6 deutlich anschubkräftiger und spontaner im Leistungseinsatz” ist, hat es der Fahrer öfter mit “Radschlupf” zu tun. Die Erklärung ist leicht und liegt im Drehmomentverlauf eines Elektromotors begründet, der nämlich ohne hohe Drehzahl sofort seine Power abliefert, was letztlich auch Folgen für die Abriebbilanz der Reifen haben muss. Das wurde aber hier nicht getestet. Auch die Reichweite des Stromers unter den winterlichen Bedingungen Lapplands langte zwar für den erforderlichen Testdurchgang über "neun mal vier Runden im Rallyetempo”, war aber “knapp”, so Thiemo Fleck. Auch an das unterschiedliche Allradkonzept mussten sich die Handlingfahrer erst gewöhnen. Der zweimotorige Allrad des Stromers zeigt sich “inkonsistent”, sodass sich die Testfahrer gerade im Grenzbereich eine “bessere Kontrollierbarkeit” wünschen. Auch das durch die Akkus höhere Gewicht wirkt sich gerade im Grenzbereich “besonders beim Anbremsen und in Kurven negativ” aus. Letztendlich war der leichtere und leistungsschwächere Verbrenner auf diesen Strecken “etwas schneller unterwegs”. Der beste Winterreifen bleibt aber für Stromer und Verbrenner gleich: Der Testsieger von Bridgestone, weil er gleichzeitig auch der spritsparendste ist.

Leistungsmäßig überzeugt das gesamte Testfeld mit allen sieben Reifen, auch wenn der Falken preislich etwas aus dem Rahmen fällt. Bei so vielen guten Noten könnte aber gerade der preisliche Aspekt entscheidend sein. (ps/kle)

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