Trübe Aussichten vor allem für Zulieferer

EY-Studie prognostiziert weiteren Beschäftigungsrückgang in Deutschland

Autoproduktion AutoherstellerIn den vergangenen zehn Jahren konnten die hiesigen Automobilhersteller ihre Umsätze um 59 Prozent steigern.  Foto: jeson - stock.adobe.com

558 Milliarden Euro Umsatz (+10 Prozent) erwirtschafteten die in Deutschland ansässigen Autohersteller und -zulieferer im vergangenen Jahr. An diesem Rekordergebnis hatten die Hersteller mit einem Zuwachs von 11 Prozent einen abermals größeren Anteil als die Zulieferer (+9 Prozent) – seit 2014 konnten die Hersteller ihre Umsätze in Deutschland um 59 Prozent steigern, während das Plus unter den Zulieferern bei 25 Prozent lag. Gänzlich gegensätzliche Tendenzen zeigen sich gar beim Blick auf die Beschäftigtenzahlen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Zulieferern in Deutschland um 7,5 Prozent gesunken, bei Herstellern jedoch um 4,3 Prozent gestiegen. Im Jahr 2023 waren insgesamt rund 780.000 Menschen in der hiesigen Automobilindustrie beschäftigt, was nach vier Jahren mit rückläufigen Zahlen ein minimales Plus von 0,7 Prozent bedeutet. Aufseiten der Zulieferer lag die Mitarbeiterzahl jedoch 0,2 Prozent unter dem Vorjahreswert. 

Reduzierter Personalbedarf durch Transformation

„Zuletzt ist die Beschäftigung leicht gestiegen, was vor allem auf Aufbau an Software-Kompetenzen zurückzuführen ist. Der langfristige Trend zeigt aber klar nach unten: Die meisten großen Branchenunternehmen setzen auf Kostensenkungsprogramme, zudem wird der Vormarsch der Künstlichen Intelligenz zu einem deutlichen Beschäftigungsrückgang in indirekten Bereichen wie IT, Personal, Marketing, Finanz- und Rechnungswesen führen. Zunehmend setzen die Unternehmen daher auf Einstellungsstopps und den Abbau von Managementebenen”, erläutert Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West. “Und langfristig wird der Hochlauf der Elektromobilität ohnehin zu einem deutlich geringeren Personalbedarf führen, weil die Herstellung von Elektrofahrzeugen weniger personalintensiv ist als die Herstellung von Pkw mit konventionellen oder Hybrid-Antrieben. Das wird unausweichlich zu einer niedrigeren Beschäftigung am Standort Deutschland führen.“ Dieser absehbaren Entwicklung begegnen die Zulieferer mit einem verstärkten Fokus auf die Themenfelder Weiterbildung und Qualifizierung.

Die größten Produktionsstandorte der Autoindustrie in Deutschland sind derzeit Bayern (ca. 250.000 Beschäftigte) und Baden-Württemberg (ca. 225.000 Beschäftigte). Die größte Rolle für den Arbeitsmarkt im jeweiligen Bundesland spielt die Autoindustrie aber im Saarland: Dort arbeiten fast sechs Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei einem Autohersteller oder -zulieferer. Ausgerechnet dort jedoch haben mit Ford, Michelin und ZF in der jüngeren Vergangenheit gleich drei große Industrieplayer Pläne für Standortschließungen respektive Stellenstreichungen vorgelegt.

“Die Luft für die Zulieferer wird immer dünner”

Abgesehen von der Entwicklung der Beschäftigtenzahlen sieht Gall diverse Herausforderungen auf die Automobilindustrie und die Zulieferer im Speziellen zukommen. „Auf den ersten Blick war das vergangene Jahr nicht schlecht für die deutsche Autoindustrie. Die Rekordumsätze sind allerdings auch ein Ergebnis der hohen Inflation und stark gestiegener Einkaufs- und Materialpreise. Unterm Strich sorgten gerade die hohen Energie- und gestiegene Lohnkosten bei vielen Unternehmen für eine rückläufige Marge. Das gilt vor allem für die Zulieferer, für die die Luft immer dünner wird. Und derzeit spricht wenig für eine Verbesserung der Lage – im Gegenteil: Der Konjunkturmotor stottert, der Neuwagenabsatz hat längst noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Überkapazitäten und neue Rabattschlachten sind die Folge.“

Der EY-Experte rechnet mit einer weiteren Konsolidierung unter den Zulieferern, auch angetrieben durch den stockenden Hochlauf der Elektromobilität: „Wer als Zulieferer zukunftsfähig sein möchte, muss massiv in neue Technologien investieren. Gleichzeitig werden im Elektrosegment bei weitem nicht die erwarteten und benötigten Stückzahlen erreicht. Das kostet die Branche aktuell sehr viel Geld und drückt auf die Marge“, so Gall. 

Ein weiteres Problem für die “stark exportorientierte Autoindustrie” sind seiner Meinung nach die Situation in den wichtigen Märkten USA und China. Insgesamt konnte die deutsche Automobilindustrie die Exporte von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen im Jahr 2023 um 10 Prozent steigern, doch lag das vor allem am starken Zuwachs auf europäischer Ebene (+21 Prozent). Die Ausfuhren in die USA lagen nur knapp über dem Vorjahreslevel, während die China-Exporte um 18 Prozent zurückgingen. „Die Situation in den Exportmärkten USA und China ist schwierig – aufgrund der aktuellen geopolitischen Spannungen, einer gewissen Abschottung Chinas sowie der anstehenden Wahlen in den USA. Insgesamt sehen wir zunehmend Nationalisierungstendenzen“, bilanziert Gall. Wesentliche Zukunftsinvestitionen würden zunehmend außerhalb Deutschlands getätigt, warnt er.

Die Ergebnisse und Einschätzungen basieren auf einer aktuellen EY-Analyse der deutschen Automobilindustrie und umfassen nur in in Deutschland tätige Betriebe. Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY stützte ihre Auswertung auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Agentur für Arbeit. Untersucht wurden Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern.

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