Künstliche Intelligenz ist nicht erst seit dem vergangenen Jahr weltweit auf dem Vormarsch. Auch in der Automotive-Branche setzen immer mehr Akteure auf die Technologie – sei es in der Reifenentwicklung, im Bereich der industriellen Automatisierung oder auch zur Verbesserung der Effizienz interner Prozesse. Diese Tendenz zeigt sich auch im aktuellen Bosch Tech Compass: Immerhin 41 Prozent der Befragten in Deutschland geben an, dass KI-Kenntnisse für sie im Beruf bereits heute wichtig sind. Weltweit bestätigen diese Aussage 56 Prozent der befragten Personen, in Indien brauchen nach eigenen Angaben 83 Prozent entsprechende Kenntnisse für ihre Arbeit. Perspektivisch dürften diese Zahlen noch weiter steigen, wenn immer mehr Unternehmen – unter anderem auch als Reaktion auf anhaltenden Personalmangel – ihre Digitalisierung konsequent forcieren. In dieser Hinsicht aktiv ist etwa die Autohausgruppe Hahn, wie deren kaufmännischer Geschäftsführer Markus Keller im Interview mit Automotive Insights erläuterte. Mit Blick auf den eigenen Geschäftsalltag führte er aus: „Wir glauben, dass wir die Einsatzmöglichkeiten heute noch gar nicht absehen können. Die Entwicklung befindet sich ganz am Anfang und verläuft rasant.”
Diese Einschätzung teilt auch Dr. Tanja Rückert, Mitglied der Geschäftsführung und CDO der Robert Bosch GmbH: „Generative KI wird die Art und Weise beeinflussen, wie wir lernen, arbeiten und kooperieren – das wird die Abläufe und Prozesse in Unternehmen signifikant verändern.” Rückert spricht in diesem Zusammenhang von einem „Innovationsbooster ähnlich wie die Erfindung des Computers“. Sie ist überzeugt: „In der Technologie liegen große Chancen. Es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe, dieses Potential deutlich zu machen und in der Bevölkerung für Akzeptanz zu werben.“
Künstliche Intelligenz wird zum Alltag
Aktuell stimmen nur 34 Prozent der Befragten in Deutschland der Aussage zu, dass KI einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben wird. Das ist zwar etwas mehr als im Jahr 2023 (26 Prozent), jedoch zeigt sich in anderen Ländern in dieser Hinsicht mehr Optimismus. So erwarten etwa in China zwei Drittel der Befragten einen positiven Einfluss. Gleichwohl gehen in Deutschland 60 Prozent der Befragten davon aus, dass KI-Kenntnisse im Alltag in Zukunft „sehr wichtig“ oder „wichtig“ sein werden. Weltweit beträgt der Anteil 71 Prozent. Auch die Berührungspunkte mit Künstlicher Intelligenz werden in Zukunft weiter steigen, da Automobilhersteller in zunehmendem Maße KI-Lösungen wie ChatGPT in ihre Systeme integrieren. Die Nutzung von KI für ein verbessertes Kundenerlebnis sowie die Kontaktaufnahme über KI-trainierte Chatbots ist bei vielen Unternehmen inner- und außerhalb der Branche längst Standard. Auch die Generierung von Text- und Bildinhalten mit Künstlicher Intelligenz nimmt zu und wird weiter optimiert.
Entsprechend attestieren 72 Prozent der Deutschen KI ein prägendes Potenzial in den kommenden zehn Jahren (2023: 42 Prozent). Die Technologie liegt damit hierzulande klar vor Industrierobotern (25 Prozent) und Wasserstoff respektive der Brennstoffzelle (23 Prozent). Auch im weltweiten Vergleich dominiert KI (67 Prozent), auf den Plätzen folgen die 5G-Technologie (32 Prozent) und das automatisierte Fahren (24 Prozent). Letzteres ist ein Teilaspekt, bei dem Künstliche Intelligenz ebenfalls zum Einsatz kommen kann. Dazu und wie KI im Allgemeinen zu mehr Verkehrssicherheit beitragen kann, befragten wir im vergangenen Jahr Dr. Till Nattermann, Engineering Manager bei ZF.
Vermittlung von KI-Kompetenzen bereits in der Schule?
Mit der fortgesetzten Implementierung von KI-Anwendungen in Unternehmen wächst auch der Bedarf an entsprechenden Kompetenzen aufseiten der Mitarbeitenden. „Berufstätige weltweit müssen sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen – das wird eine wesentliche, ergänzende Kompetenz im Berufsleben werden“, betont Tanja Rückert. Bei Bosch setzt man daher eigenen Angaben zufolge auf entsprechende Weiterbildungsangebote und stellt dabei den Nutzen der Technologie in den Fokus. „Wir haben über unsere eigene AI Academy bereits gezielt mehr als 65.000 Beschäftigte in KI geschult. Entsprechende Online-Schulungen stehen allen Beschäftigten zur Verfügung. Zudem verdeutlichen wir ihnen die Vorteile: Generative KI ist dazu in der Lage, sie im Arbeitsalltag bei einfachen, repetitiven Aufgaben zu entlasten und zu unterstützen“, so Rückert.
Derartige Optionen zur Fort- und Weiterbildung haben laut dem Bosch Tech Compass im Rahmen ihrer Arbeit bislang jedoch nur 18 Prozent der Befragten in Deutschland erhalten. Weltweit berichten immerhin 28 Prozent von einem beruflichen KI-Training. Angebote sind hierbei jedoch nur die eine Seite. Auf der anderen steht die notwendige Bereitschaft zur Nutzung der genannten Möglichkeiten. Diese wiederum ist in Deutschland nicht flächendeckend vorhanden, gibt doch jeder dritte Befragte an, sich (noch) keine KI-Skills aneignen zu wollen. Im Durchschnitt der untersuchten Länder liegt der Anteil derjenigen, die sich nicht in Bezug auf KI weiterbilden wollen, nur bei 18 Prozent. Das könnte auch damit zu tun haben, dass sich KI-bedingte Job-Sorgen zumindest hierzulande noch in Grenzen halten: Während ein Drittel ein Risiko für den eigenen Job aufgrund von KI sieht, gehen zwei von drei Befragten davon aus, dass KI „kein“ beziehungsweise „wahrscheinlich kein“ Jobrisiko darstellt. Im globalen Vergleich liegt der Anteil bei rund 50 Prozent
Um der zunehmenden Bedeutung der Künstlichen Intelligenz gerecht zu werden, befürworten 57 Prozent der Befragten in Deutschland ein eigenes Schulfach KI. Insgesamt stimmen 63 Prozent der weltweit Befragten der Aussage zu, KI solle ein eigenes Schulfach werden. „Die Konkurrenz um KI-Fachkräfte ist weltweit bereits in vollem Gange und wird in Zukunft noch zunehmen. Um in Deutschland künftig die erforderlichen KI-Fachkräfte zu haben, kann die Aufnahme von KI in den Schulplan ein wichtiger Startpunkt sein“, bilanziert Tanja Rückert.