Tommi Alhola über die Pläne von Nokian Tyres

“Unsere Mitarbeiter stehen der Zukunft sehr positiv gegenüber”

Nokian Tyres Tommi AlholaBlickt zuversichtlich in die Zukunft: Tommi Alhola, Vice President PCT Central Europe bei Nokian Tyres.  Foto: Daniel Willrich

Herr Alhola, Nokian Tyres hat seinen Hakka Ring in Spanien nach knapp zweijähriger Nutzungszeit nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Welche Rolle spielt der Hakka Ring für die Wachstumspläne von Nokian Tyres? Welche Möglichkeiten ergeben sich dadurch?

Tommi Alhola: Eine essenzielle Voraussetzung für unsere Wachstumspläne ist, dass wir Produkte haben, die den Bedürfnissen des Marktes entsprechen. Und um unser Portfolio auszubauen und anzupassen, benötigen wir wiederum Einrichtungen für die entsprechenden Tests auf hohem Niveau. Wir investieren insgesamt 50 Prozent unseres F&E-Budgets in Tests. Der Hakka Ring ist also ein zentraler Baustein für unsere Pläne. Der andere Baustein sind die erweiterten Produktionskapazitäten, die wir mit unserer neuen Fabrik in Oradea in Rumänien erreichen. 

Die ersten auf dem Hakka Ring entwickelten und getesteten Reifen kommen nun auf den Markt. Nokian Tyres wartet mit zwei neuen Sommerprofilen und einem neuen All-Season-Profil auf. Was erwarten Sie von den neuen Produkten?

Tommi Alhola: Die Produkte sind natürlich sehr wichtig für uns, vor allem da Ganzjahresreifen in vielen Märkten Europas ein starkes Wachstum verzeichnen und immer mehr nachgefragt werden. Darüber hinaus sind die Produkte wichtig, weil wir aufgrund des Rückzugs aus Russlands und unserer angepassten Produktionskapazitäten für mehr als ein Jahr nicht wirklich präsent im Sommer- und All-Season-Segment waren. Diese ersten Produkte sind also Teil unseres Comebacks in diesem Segment – und es sollen noch weitere folgen. Dabei wirkt der Hakka Ring wie eine Art Katalysator für künftige Produktentwicklungen.

Sie haben bereits das neue Werk in Rumänien angesprochen. Das Vorhaben mussten Sie nach dem Rückzug aus Russland sehr schnell umsetzen, liegen dabei aber aktuell voll im Zeitplan. Gab es Ihrerseits bereits vorher Überlegungen, einen weiteren Produktionsstandort zu bauen? 

Tommi Alhola: Als wir uns entschlossen haben, Russland und den russischen Markt zu verlassen, haben wir im Grunde sofort mit den Kapazitätserweiterungen in der finnischen Nokia-Fabrik, aber auch in Dayton begonnen. Parallel dazu hatten wir bereits ein Projekt für eine Fabrik in Mitteleuropa in Arbeit – und das wurde dann priorisiert und beschleunigt. Somit haben wir unsere bestehenden Möglichkeiten erweitert und zugleich gänzlich neue geschaffen. Wir hatten also tatsächlich bereits entsprechende Planungen laufen. 

War Rumänien als Standort dabei auch schon im Fokus oder zumindest in der engeren Auswahl?

Tommi Alhola: Die Entscheidungen wurden mehr oder weniger zur gleichen Zeit getroffen. Für die Wahl unseres neuen Standorts haben wir 56 verschiedene Kriterien berücksichtigt. Diese reichten von der geopolitischen Rolle eines Landes wie etwa einer NATO-Mitgliedschaft über Logistik und Infrastruktur bis hin zur Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal. Dabei erwies sich Rumänien als unsere Option Nummer 1. Und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden bin, wie sich das Projekt bisher entwickelt hat. Auch die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden funktioniert gut. Wir hatten also einen sehr guten Start, und sind nun bereit, das Projekt in naher Zukunft abzuschließen.

Mussten Sie Ihre Pläne anpassen? Es macht ja doch einen Unterschied, ob eine zusätzliche Fabrik das Produktionsnetzwerk ergänzt oder ob eine Fabrik eine andere gänzlich ersetzen muss.

Tommi Alhola: Wir befinden uns in der sehr seltenen Situation, dass wir erst vor ein paar Jahren unser neues US-amerikanisches Werk gebaut haben und bereits jetzt das Werk in Rumänien folgt. Dass der Bau neuer Fabriken so nah beieinander liegt, ist in der Branche sehr selten. Dadurch konnten wir einige Erkenntnisse gewinnen und wussten, wie wir das Projekt beschleunigen können. 

Als allererstes haben wir die Maschinen bestellt, noch bevor vor Ort irgendetwas unternommen wurde. In Nordamerika sind wir in die Situation geraten, dass sich die Maschinen ein wenig verspätet haben, aber der Rest der Anlage war fertig. Wir wollten in Rumänien jede Art von Verzögerung vermeiden und sind daher anders vorgegangen. Das ist eine der Lehren, die wir gezogen haben.

Die Pläne von Nokian Tyres sehen darüber hinaus vor, dass auch nach der Fertigstellung des Werks in Rumänien die Auftragsfertigung zumindest eine kleine Rolle spielen wird. Welche Gedanken stehen dahinter?

Tommi Alhola: Die Auftragsfertigung stellt in den kommenden Jahren im Grunde eine ausreichende Kapazität sicher. Falls unser Wachstum besonders zügig vonstatten geht, dauert es eine Weile, unsere eigene Kapazität entsprechend auszubauen. Aber es gibt auch bestimmte Segmente und Größen, bei denen wir mit Partnern zusammenarbeiten wollen. Wir hatten eine Megafabrik in Russland, die in der Lage war, fast alle Reifengrößen und -segmente abzudecken. Jetzt haben wir diesen Ansatz ein wenig modularer gestaltet.

Also geht es vor allem um Flexibilität?

Tommi Alhola: Ja, absolut. Wir können unsere Kapazitäten mit der Auftragsfertigung bei Bedarf zügig anpassen, sowohl nach oben als auch nach unten. 

Im Zuge der Präsentation des Hakka Rings wurde auch deutlich, dass Nachhaltigkeit für Nokian Tyres eine zentrale Rolle spielt. Auch an einem möglichst nachhaltigen Reifen wird gearbeitet. Wie weit sind Sie hier?

Tommi Alhola: Wir haben bereits einen “grünen” Konzeptreifen vorgestellt, der zu 93 Prozent aus erneuerbaren oder recycelten Materialien besteht. Dieser weist den zukünftigen Weg, auch wenn der Reifen noch kein kommerzielles Produkt ist. Allerdings geht es uns um die Nachhaltigkeit unseres gesamten Handelns. Dabei sind Reifen und die in ihnen verwendeten Rohstoffe nur ein Teil. Dazu wollen wir auch die Herstellung und ihre Auswirkungen sowie den gesamten Lebenszyklus bis zum Recycling betrachten – vom Anfang bis zum Ende, Nachhaltigkeit ist Teil des Gesamtbildes. 

Für ein Unternehmen wie uns kann Nachhaltigkeit zudem ein strategischer Vorteil sein. Deswegen bauen wir in Rumänien bereits eine CO2-freie Fabrik. Außerdem interessieren sich Verbraucher immer mehr für dieses Thema. Das passt also ganz gut zusammen.

Nokian Tyres verfolgt also einen sehr umfassenden Ansatz beim Thema Nachhaltigkeit. Gibt es aus Ihrer Sicht einen Punkt, bei dem Nachhaltigkeit am schwierigsten zu erreichen ist? Oder sind alle Aspekte gleich herausfordernd?

Tommi Alhola: Ich persönlich bin der Meinung, dass Europa beim Reifen-Recycling noch mehr tun muss. Das unterscheidet sich je nach Gesetzgebung in den einzelnen Ländern und Märkten noch sehr. Da könnten wir in der EU möglicherweise gemeinsam überlegen, wie wir hier noch schneller vorankommen. Zumal diese Belange nicht nur einzelne Unternehmen, sondern eine ganze Branche betreffen. 

Dann lassen Sie uns abschließend nochmal auf das Jahr 2024 schauen. Welche Chancen sehen Sie für Nokian Tyres? Und welche Rolle spielt Deutschland als Markt hierbei?

Tommi Alhola: Deutschland ist als Markt – wenig überraschend – natürlich sehr wichtig für uns, da es in vielerlei Hinsicht ein Hub für Europa ist. Für uns sehe ich in Deutschland und in Mitteleuropa (das schließt auch Ost- und Südeuropa ein, Anm. d. Red.) allgemein große Chancen. Mit Blick auf neue Produkte ist sicherlich das Wachstum im Transporter-Bereich und bei Lieferwagen für uns relevant. Ganzjahresreifen werden auch hier immer beliebter. Deshalb wollen wir bereits in Kürze mit Neuigkeiten aufwarten und diese Chancen nutzen. 

Wir haben ein paar recht schwierige Jahre hinter uns, aber wenn man sich jetzt ansieht, wie sich unser Plan entwickelt, wie die Kapazitätserhöhungen erreicht wurden, die neue Fabrik steht kurz vor dem Start, wir haben starke Partner an unserer Seite und wir sind auch sehr froh über unsere Kunden. Das stimmt mich alles zuversichtlich.

Also liegt der Fokus für Nokian Tyres mehr auf den sich bietenden Chancen als auf möglichen Herausforderungen? 

Tommi Alhola: Ja, und das hat man hier bei dem Event in Madrid und auf dem Hakka Ring auch an unserem motivierten und engagierten Team gesehen. Unsere Mitarbeiter stehen der Zukunft sehr positiv gegenüber. Dieses Momentum und dieser Elan sind angesichts der jüngeren Vergangenheit mit all den benannten Herausforderungen keine Selbstverständlichkeit. 

Nokian Tyres Hakka Ring

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