Streitthema Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen

„Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft der Reparaturbranche sind nur im Verbund möglich”

AdobeStock_ReparaturNicht alle Komponenten lassen sich bei einer Instandsetzung gebraucht verbauen – Karosserieteile oder auch Scheinwerfer dagegen schon.  Foto: sofiko14 - stock.adobe.com

Mitte vergangenen Jahres gab die Allianz bekannt, bei Instandsetzungen nach einem Unfall verstärkt auf gebrauchte Ersatzteile setzen zu wollen. Die Verantwortlichen warben dabei mit reduzierten Umweltauswirkungen: Laut Allianz-Rechnung würden etwa bei der Verwendung einer gebrauchten Fahrertür eines VW ID.3 64,9 Kilogramm respektive 78,4 Prozent CO2 gegenüber einem Neuprodukt gespart. Zudem war der Schritt eine Reaktion auf die deutlich gestiegenen Kfz-Ersatzteilpreise, die auch wir bereits mehrfach thematisiert haben. Auch der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik e. V. (ZKF) hatte in Person von Präsident Arndt Hürter im Interview mit Automotive Insights mit Verweis auf eine GDV-Studie zur Preisentwicklung eine „Monopolstellung” der Fahrzeughersteller kritisiert. Dass als Reaktion auf diese Entwicklung seitens der Versicherer und Schadensteuerer verstärkt gebrauchte Ersatzteile in den Blick rücken, ist aus Sicht des ZKF in Teilen durchaus nachvollziehbar. Auf Unverständnis stößt bei dem Verband und der auf seine Initiative vor über 25 Jahren gegründeten Einkaufsgemeinschaft Eurogarant AutoService AG jedoch, dass vorhandene Einschränkungen und Problemfelder dieses Einsatzes nicht ausreichend thematisiert und Vertreter der Werkstätten zur Lösungsfindung nicht mit einbezogen würden.

Einseitige Zuversicht 

Kritisch sieht Peter Börner, Vorstand der Eurogarant AutoService AG und ZKF-Ehrenpräsident, vor allem die offensive Kommunikation der Thematik seitens einiger Versicherer. So würden bereits Erfolgsmeldungen zum Einsatz von Gebrauchtteilen in der Presse veröffentlicht und auch auf positive Resonanz seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher verwiesen. Dieser Vorwurf dürfte sich wohl unter anderem an die Allianz richten, die in einer Pressemitteilung aus dem Oktober vergangenen Jahres auf die Ergebnisse einer eigenen Umfrage Bezug nimmt: Demnach würden 89 Prozent der Verbraucher und Verbraucherinnen eine Reparatur ihres Fahrzeugs mit gebrauchten, aber vollständig intakten und zertifizierten Ersatz- anstelle von Neuteilen akzeptieren. Auch in der Praxis wird diese hohe Zustimmung bestätigt. „Jeder zweite von uns angesprochene Kunde, bei dem eine Reparatur des Fahrzeugs mit gebrauchten Ersatzteilen möglich war, hat sich für eine nachhaltige Reparatur entschieden“, wird Frank Sommerfeld, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG, in besagter Pressemitteilung zitiert. 

Auch die Zahl von mehr als 1.400 Partnerwerkstätten, mit denen die Allianz in der Reparatur gebrauchte Ersatzteile anbietet, erscheint Börner zweifelhaft. Eine eigene Umfrage aus dem November unter rund 450 der etwa 600 Eurogarant-Fachbetrieben hat laut ZKF ergeben, dass keiner der Unternehmer bereit wäre, sich mit dieser Thematik in der Unfallreparatur zukünftig unter den bisher gegebenen Bedingungen zu beschäftigen.    

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Bedingt durch steigende Ersatzteilpreise werden auch Reparaturen immer teurer. Foto: Gorodenkoff - stock.adobe.com

“‘Reparatur’ erhält das Wirtschaftsgut”

Dialogbedarf gibt es nach Überzeugung von ZKF und Eurogarant ferner beim Thema Nachhaltigkeit. Dabei erkennen beide Institutionen die ökologischen Aspekte des ausgeweiteten Einsatzes gebrauchter Teile durchaus an. „Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu argumentieren, um CO2 einzusparen und die Umwelt zu schonen, ist grundsätzlich ein positiver Gedanke der Versicherungswirtschaft. Hier wollen sowohl ZKF als auch Eurogarant AutoService AG maßgeblich unterstützen”, betont Börner. Allerdings stelle sich die Frage, ob ein in Japan oder Korea gefertigtes Blech-Ersatzteil wirklich nachhaltiger sei, als ein Ersatzteil aus Rüsselsheim, das unweit von dort in Wiesbaden in einer Unfallreparatur eingesetzt werde. Auch der Einfluss höherer Energieverbräuche durch möglicherweise notwendige Zusatzarbeiten müsse berücksichtigt werden. Zudem bezweifelt Börner, ob bei Versicherern bei der Abwägung zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit nicht doch die Wirtschaftlichkeit gewönne. „Fakt ist, dass keine andere Branche im Vergleich so nachhaltig ist wie die Kfz-Reparaturbranche, denn ‘Reparatur’ erhält das Wirtschaftsgut und wirft es nicht weg,“ unterstreicht Börner. „Aber Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft in der Reparaturbranche sind nur im Verbund mit einheitlichen Werten und Wegen möglich, um Vorteile für alle Beteiligten entstehen zu lassen.”

ZKF sieht acht Punkte mit Klärungsbedarf

Das sieht auch ZKF-Präsident Arndt Hürter so, der gemeinsam mit Eurogarant acht Sachverhalte mit Dialogbedarf identifiziert hat. „Diese Punkte müssten zunächst realisiert werden, um den Einsatz von Gebrauchtteilen in den Werkstätten befürworten zu können“, hält Hürter fest. Die Punkte betreffen insbesondere das Handling der Teile. So verweist der ZKF auf Unklarheiten bezüglich des Alters der Teile und entsprechender Garantieversprechen sowie bezüglich des Zustands und möglicherweise damit einhergehender Schadensersatzansprüche. Ferner müsste sichergestellt werden, dass elektronische Bauteile auf den Ursprungszustand ohne VIN-Eintragung zurückgestellt werden, bevor sie zum Einsatz kommen. Schließlich bringt der Verband noch Zertifikate ins Spiel, die als Grund für den Einsatz eines Bauteils dienen könnten und eventuelle „technischen Minderwerte” am reparierten Fahrzeug – etwa durch eine zusätzlich notwendige Lackierung – erklären.  

Mit der Forderung, sicherheitsrelevante Bauteile von der Wiederverwendung auszuschließen, stehen die ZKF-Verantwortlichen derweil nicht alleine dar. So hat sich beispielsweise auch der ADAC dahingehend positioniert und auch bei der Allianz selbst sind Teile wie Lenkungen, Räder oder Achsteile bei der Nutzung gebrauchter Komponenten außen vor. Verwendet werden stattdessen Außenteile wie Türen, Front- und Heckklappen, aber auch Spiegel, Scheinwerfer oder Rückleuchten.

Arndt Hürter ZKF
Sieht beim Thema Gebrauchtteile Klärungsbedarf: ZKF-Präsident Arndt Hürter. Foto: Daniel Lorenz

Mehr Streitpotenzial bieten hingegen die Punkte Margen, Kostenkalkulation und die Übernahme von Verantwortung. So bemängelt der ZKF, dass aktuell einige Einkaufsplattformen versuchen, im Auftrag einer Versicherung oder eines Schadenlenkers die Auswahl des Lieferanten, der Ersatzteilquelle oder der Qualität der Werkstatt abzunehmen und die jeweilige Bestellung automatisch durch die Versicherung oder den Schadenlenker auszulösen. Damit soll nach Überzeugung des Verbands die Anzahl entsprechender Teile erhöht werden, um den Prozess für Versicherer lukrativ zu machen, während zugleich eigene Kostenvorteile generiert werden. Für Betriebe und Werkstätten entfällt so die Marge des Reparaturbetriebs am Ersatzteil zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. „Eine bisher beim gesteuerten Schaden stattfindende Subvention eines zu niedrigen Stundenverrechnungssatzes mit der Ersatzteilmarge kann dadurch nicht mehr stattfinden, weshalb die Stundensätze drastisch angehoben werden müssten, damit die Betriebe nicht in Existenzschwierigkeiten geraten”, führt der ZKF aus. Aufgrund der wirtschaftlichen Herausforderungen aufseiten der Versicherer könne das jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. 

Im Dialog zusammenkommen 

Sollten die genannten Sachverhalte nicht gemeinsam in Angriff genommen und gelöst werden, warnt Arndt Hürter vor drastischen Folgen: „Ansonsten werden entgangene Margen der Werkstätten zu massiven Kündigungen der Partnerverträge oder aber auch zu Betriebsschließungen führen und lassen zudem die Versicherer unter dem Licht des Greenwashings erscheinen. Dies kann nicht im Interesse der Versicherungsunternehmen bei einer angestrebten Nachhaltigkeit sein.“ Er appelliert an Versicherer und Schadenlenker, in einen offenen und zielgerichteten Dialog mit den Branchenverbänden einzutreten. 

Grundsätzlich kann sich die Nutzung gebrauchter Komponenten nämlich sowohl für Versicherer als auch für Werkstätten lohnen. Nötig ist dafür allerdings – wie schon häufiger angemahnt – gegenseitiges Vertrauen und transparente Kommunikation. Wem der forcierte Einsatz derartiger Teile allerdings unzweifelhaft weniger gefallen dürfte, sind die Fahrzeughersteller selbst. Laut Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer würden sich diese mit Ersatzteilen „eine goldene Nase” verdienen. In einem ZDF-Beitrag zu dem Thema äußerte er die Prognose, dass Autobauern durch vergünstigte Reparaturen mit gebrauchten Komponenten ein Teil ihres Profits entgehen werde. 

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