Reifenkonzepte
Vernetzte Reifenwelt – der Pirelli Cyber Tyre
Im Rande des Goodwood Festival of Speed stellt Pirelli erneut sein Reifenkonzept Cyber Tyre vor. Dieses soll Konnektivität und Nachhaltigkeit verbinden. Der Cyber Tyre basiert auf Sensoren, die es dem Reifen laut Pirelli-Angaben erstmals ermöglichen, mit den Stabilitätskontrollsystemen einschließlich ABS, ESP und Traktionskontrolle zu kommunizieren.
Auch andere Reifenhersteller präsentierten bereits Reifenkonzepte mit Vernetzungspotenzial, das über Sensor-Technologien gesteuert wird. Das Pirelli-Konzept des Cyber Tyre wird marketingtechnisch geschickt an der Schnittstelle von Konnektivität und Nachhaltigkeit vorgestellt. Ein “neues Zeitalter des Reifens bietet nicht nur eine bessere Konnektivität, sondern lässt auch der Umwelt mehr Aufmerksamkeit zuteil werden", heißt es in einer Unternehmensmitteilung. Eine umweltgerechtere Reifenproduktion und Anwendung hat das Pirelli-Management als strategisches Ziel formuliert. Die italienische Prestige-Marke setzt auf neue Materialien und verstärkte F&E-Investitionen, um künftig fossile Rohstoffe in der Reifenherstellung ersetzen zu können. Auch nachweisbare Lieferketten spielen eine entscheidende Rolle, Zertifizierungen durch Dritte sollen die Herkunft, Rückverfolgbarkeit und Verwendung dieser Materialien dokumentieren. Selbstverpflichtungen, wie beispielsweise die Entscheidung, bis 2026 in allen europäischen Pirelli-Werken nur noch FSC-zertifizierten Naturkautschuk zu verwenden, sind zentrale Elemente der Strategie.
Das Reifenkonzept Pirelli Cyber Tyre soll helfen, den Spezialisierungsgrad der Fahrzeugelektronik weiter zu erhöhen – auch im Hinblick auf das autonome Fahren. Sensoriken kommen bereits in den für den Pagani Utopia entwickelten Pirelli-Reifen P Zero Corsa, P Zero Trofeo RS und P Zero Winter zur Anwendung. Im Inneren des Laufflächen-Profils positioniert, sind diese über Bluetooth mit dem elektronischen Steuergerät des Fahrzeugs verbunden, das die fahrdynamischen Systeme regelt. Die Sensoren liefern Informationen, damit das Fahrzeug den optimalen Fahrmodus für die montierten Reifen wählen kann, um deren Potenzial bestmöglich auszuschöpfen, wie es seitens Pirelli heißt. Den Dialog zwischen Auto und Reifen ermöglicht eine von Pirelli entwickelte und implementierte Software. “Sind beispielsweise Winterreifen aufgezogen, erhält das ABS Informationen, wie es diese Reifen optimal nutzen kann, um den Bremsweg zu verkürzen. Fährt das Auto dagegen mit Semi-Slick-Reifen, werden Stabilitäts- und Traktionskontrolle darüber informiert, dass zusätzlicher Grip vorhanden ist. Ohne diese Informationen würden alle Fahrdynamikregelsysteme eher konservativ agieren und Annahmen und Motorkennfelder nutzen, welche die individuellen Eigenschaften und Leistungen der Reifen nicht berücksichtigen”, kommuniziert der Hersteller in einer Produktinfo. Mit dem "technischen Insiderwissen" könnten die Regelsysteme des Fahrzeugs wesentlich effizienter arbeiten.
Partnerschaften sind zur Etablierung neuer Reifenkonzepte bedeutsam. Anlässlich des Goodwood Festival of Speed 2024 kündigt Pirelli eine Zusammenarbeit mit Jaguar Land Rover (JLR) an, um Reifen mit FSC-zertifizierten Materialien aus der Forstwirtschaft für die gesamte Palette der Luxusfahrzeuge des Unternehmens zu liefern. 2021 produzierte Pirelli den weltweit ersten Straßenreifen aus FSC-zertifiziertem Naturkautschuk und Rayon. Als “weitere Meilensteine” hin zu mehr Nachhaltigkeit nennen die Pirelli-Verantwortlichen die Einführung von Reifen aus FSC-zertifiziertem Naturkautschuk in der Formel 1 sowie das Debüt der FSC-Zertifizierung im Radsport vor wenigen Wochen mit dem neuen Pirelli P Zero Race RS.
Auf der The Tire Cologne sprach die Redaktion von Automotive Insights mit Pierangelo Misani und Wolfgang Meier aus dem Pirelli-Management über Beschleunigungseffekte durch ein neues Instrumentarium wie der Virtualisierung und der Künstlichen Intelligenz in der Produkt- und Technologieentwicklung. Auch aufgrund des Engagements von Pirelli im Bereich Forschung und Entwicklung, in den der Reifenhersteller eigenen Angaben zufolge jedes Jahr etwa 5,5 Prozent der Einnahmen aus dem Verkauf von Reifen investiert. Im Bereich der Elektromobilität preist der Hersteller die Möglichkeiten der Konzern-eigenen “Elect-Technologie”. Ein weiteres Beispiel: Im Jahr 2023 brachte Pirelli den P Zero E auf den Markt, den laut Pirelli-Angaben ersten UHP-Reifen mit mehr als 55 Prozent biobasierten und recycelten Materialien im gesamten Ersatzreifen-Sortiment. Damit Kunden Produkte erkennen können, die zu mindestens 50 Prozent aus natürlichen oder recycelten Materialien bestehen, hat Pirelli ein spezielles Logo entwickelt, das auf den Seitenwänden der Reifen zu sehen ist. Der jüngste Reifen, der diese spezielle Kennzeichnung trägt, ist der neue P Zero Winter 2 Elect.