BRV-Mitgliederversammlung 2024

“Gegenseitige Unterstützung und der Austausch sind entscheidend”

Konrad Adenauer SaalEin voll besetzter Konrad-Adenauer-Saal in der Koelnmesse zur BRV-Mitgliederversammlung.   Foto: Kay Lehmkuhl

“Fast alle Krawatten sind weg”, Stephan Helm, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V., registrierte in seiner Eröffnung der diesjährigen Mitgliederversammlung im Vergleich zu früheren Veranstaltungen nicht nur einen legereren Look im Plenum, sondern auch eine zugewandte Grundstimmung im deutschen Reifenhandel. Der kooperative Geist ist unter den Handelsbetrieben trotz allen Wettbewerbs als Grundsubstanz deutlich spürbar. Der Großteil der Betriebe hat sich in von pandemischen Nachwirkungen und politischen Krisen geprägten Jahren behauptet und seine Adaptionsfähigkeit nachgewiesen. Klar ist aber auch, dass es Segmente im Reifenhandel gibt, die im Jahr 2023 herbe Einbrüche erfahren haben. Das Commercial-Segment ist so eines. Und die Ertragssteigerungen im Consumer-Segment konnten die heftigen Kostensteigerungen im Handel bei Personal und Energie nicht vollumfänglich auffangen. Die Aufgabe ist es, Servicepreise entschlossener argumentiert an die Kundschaft weiterzugeben. Laut Helm hätten dies andere Branchen weitaus besser geschafft. Besonders auch die Industrie- und Großhandelsplayer, die ihrerseits in den vergangenen Jahren heftig an ihren Preisen gekurbelt haben, sind aufgefordert, mit den Reifenhandelspartnern nach für alle Handelsebenen fairen Strategien zu suchen. 

Wir haben es auf unseren Kanälen bereits ausgiebig thematisiert: Die Preissensibilität im deutschen Markt hat rapide zugenommen. Daraus ergeben sich für Tier-2-Marken größere Potenziale, Marktanteile zu generieren. Man sah es auf The Tire Cologne 2024: Die drei größten Reifenhersteller überließen auf dem wichtigsten internationalen Reifenevent den Wettbewerbern Conti, Pirelli und Hankook komplett das Feld. Und auch eine Vielzahl an hungrigen Akteuren aus Fernost inszenierten sich als preisgünstigere Alternativen mit Qualitätsanspruch. Die Top-Trends Nachhaltigkeit, Elektromobilität und Preissensibilität im Reifenmarkt fanden sich auf der TTC gespiegelt – und auch der BRV unterstützt seine Mitglieder als Branchenverband bei der Fokussierung und Bewältigung der Herausforderungen im Markt.

In seinem Bericht zur Lage der Branche bezeichnete der BRV-Vorsitzende Stephan Helm Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die wirtschaftlichen Umwälzungen infolge globaler Krisen als allgegenwärtig. Sie beeinflussten das berufliche wie persönliche Leben und forderten die Branche heraus, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben. „Die gegenseitige Unterstützung und der Austausch von Wissen und Erfahrungen sind entscheidend, um die vor uns liegenden Herausforderungen zu meistern“, so Helm. Sein Appell an die Betriebe der Branche: „Jede Herausforderung bietet auch eine Chance. Lassen Sie uns diese Chancen nutzen und gemeinsam eine nachhaltige, innovative und erfolgreiche Zukunft gestalten.“ Die Digitalisierung ist ein Effizienztreiber in der Werkstatt, Stephan Helm wusste dies aus eigener Erfahrung als Geschäftsführer des Traditionsbetriebes Reifen Helm zu berichten. Gleichzeitig beschäftige ihn in dieser Position aktuell das Thema Datenschutz und Datensicherheit. Die Implementierung digitaler Prozesse bietet Chancen, verlangt in der aktuellen Phase aber auch einen ausgiebigen Informationsaustausch mit Branchenteilnehmern. Auch hier ist also eine kooperative Grundhaltung förderlich. 

Der BRV erwartet im deutschen Reifenersatzgeschäft in 2024 ein “moderates Wachstum” von 1 Prozent im Pkw-Geschäft. Das Commercial-Segment soll sich laut Helm “nach heftigen Einbrüchen im Jahr 2023 ein Stück weit erholen”. Der Branchenverband rechnet mit einem Plus von 3,4 Prozent. Wie bereits erwähnt, beschäftigt die BRV-Verantwortlichen aber vor allem auch die Ertragssituation im Handel. Die Betriebe müssen den Kostensteigerungen bei Personal und Energie entgegenwirken und Dienstleistungspreise anheben. Die Branchenstimmung wird vom BRV trotz der Herausforderungen aber als gut bezeichnet. Stephan Helm sieht eine große Bereitschaft “Chancen-orientiert zu handeln”. 

Der BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin berichtete im Rahmen der Mitgliederversammlung wie gewohnt zur aktuellen Situation und den Zahlen des BRV. Kosten und Einnahmen sowie die Mitgliederzahlen – soweit alles im grünen Bereich. Dennoch muss sich auch der Branchenverband nach einigen Austritten neue Ansätze zur Mitgliedergewinnung überlegen. Als Instanz zur Wissensvermittlung wirkt der BRV in unverändert verlässlicher Weise. Auch das angebotene Aus- und Weiterbildungsprogramm steht hierfür exemplarisch. Die Verbandsinterna waren diesmal von Jahresabschluss 2023 und Haushaltsplan 2024 dominiert. In offener Abstimmung wurden beide Vorlagen genehmigt sowie BRV-Vorstand und Geschäftsführung für das Haushaltsjahr 2023 entlastet.

Die Mitgliederversammlung hatte das BRV-Team erneut mit einem vielfältigen Vortragsprogramm angefüttert. Keynote-Speaker Prof. Dr. Sascha Friesike lieferte unter dem Titel „Digitalisierung ist die Antwort – was war nochmal die Frage?“ Denkansätze für die Realisierung von Digitalisierungsprojekten in Unternehmen. Einen ausführlichen Technik- und Gesetzgebungs-Teil referierte Michael Schwämmlein. Auf dem Plan stand darüber hinaus das drängende Thema Nachwuchs: Gerd Wächter, Geschäftsführer der Top Service Team, präsentierte die Kampagne „Vulki & Co.“, mit der die Gesellschafter der Reifenhandelskooperation den Bewerbungen um ihre Ausbildungsplätze einen Schub geben wollen. Mit einem Beitrag von Danny Schwalbe, Geschäftsführer beim zertifizierten Altreifenentsorgungsunternehmen MRH Mülsen GmbH, stand schließlich noch das Thema nachhaltige Altreifenentsorgung auf dem Programm – passend auch zum Schwerpunkt der Circular Economy auf der TTC 2024. 

BRV-Ausbildungs-Award verliehen

Die Mitgliederversammlung wurde einer guten Tradition folgend als Bühne für die Würdigung herausragender Leistungen im Reifenhandel genutzt. Gemeinsam mit den Partnern Continental und Platin Wheels überreicht der BRV seit 2018 den Ausbildungs-Award. Bei der siebten Auflage landeten zwei Handwerker und ein Kaufmann auf dem Podium. Platz 1 ging an Jan Billerbeck, der im Betrieb seiner Eltern in Krayenberggemeinde zum Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechnik ausgebildet wurde. Rang 2 belegte Sebastian Suffa, der seine Ausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandelsmanagement bei der Reifenzentrale Rieger + Ludwig GmbH in Augsburg absolviert hat. Der Drittplatzierte Leonardo Haziri erlernte bei der Ehrhardt Reifen + Autoservice GmbH & Co. KG am Standort Clausthal-Zellerfeld den Beruf des Kfz-Mechatronikers. „Besonders in diesem Jahr zeigen die Werdegänge und Abschlüsse der Gewinner in unserem  Wettbewerb, wie vielfältig die beruflichen Chancen sind, die die Reifenbranche bietet“, hob BRV-Geschäftsführer Yorick M. Lowin hervor – das finale Statement zur diesjährigen Mitgliederversammlung liest sich als Würdigung des Nachwuchses und angesichts des akuten Fachkräftemangels auch als Bewerbung für die gesamte Branche. 

Unseren Podcast zur BRV-Mitgliederversammlung und zu The Tire Cologne 2024 hört Ihr hier:

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