Technologie

Sind Natrium-Ionen-Akkus die Zukunft?

Northvolt-sodium-ion-lab_webGegenwärtig forschen zahlreiche Unternehmen weltweit an Natirum-Ionen-Akkus.  Foto: Northvolt

In Elektroautos aktueller Baureihen kommen überwiegend Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz. Das Problem: Lithium ist als Rohstoff sehr schwer zu gewinnen und zugleich auch recht teuer. Als eine günstige, wenngleich bisher noch nicht für die Massenmobilität verfügbare Alternative, gelten Natrium-Ionen-Akkus. Neben dem im Vergleich zu Lithium preislich deutlich attraktiveren Natrium werden für derartige Akkus zum Teil deutlich geringere Mengen teurer und knappere Rohstoffe wie Graphit, Kobalt oder Nickel verwendet. Natrium-Ionen-Akkus waren bislang vor allem für die Energiespeicherung vorgesehen. 

Einen nochmaligen Schub hat die Erforschung dieser Lösung in jüngerer Zeit unter anderem durch politische Vorgaben erhalten. Die weltweite Mobilität soll und muss nachhaltiger werden, wofür vor allem die E-Mobilität forciert wird. Gleichzeitig streben insbesondere die EU-Länder nach den Erfahrungen mit Russland eine größere Unabhängigkeit von Rohstoffen aus anderen Staaten an. Bei Lithium etwa kommt zu den genannten Faktoren Verfügbarkeit und Preis die Tatsache hinzu, dass der Rohstoff vor allem in Südamerika (Chile, Argentinien) sowie in Australien und China gewonnen wird.

Lithium aus Landau

Vereinzelt gibt es Ambitionen für die Lithiumgewinnung auf deutschem Boden. So hat die Firma Vulcan Energy erst im November 2023 im rheinland-pfälzischen Landau eine Versuchsanlage zur regionalen Gewinnung von Lithium eröffnet. Cris Moreno, Vulcan-CEO und Managing Director, zeigte sich in einer Unternehmensmitteilung zum Start begeistert: „Das Projekt ist Vorreiter bei der Schaffung einer neuen Lithiumindustrie für Europas Elektroautos, die Lithium aus heimischen Quellen bezieht. Nicht nur für Vulcan ist das ein Meilenstein. Die Eröffnung der Anlage stellt auch für Deutschland und für Europa einen wichtigen Schritt zur Sicherung des Lithiums dar, das es für das Überleben der Automobilindustrie und für die Mobilitätswende braucht.”

 Ziel von Vulcan Energy ist es, in der Landauer Anlage mittelfristig die benötigte Lithiummenge für die Herstellung von Batterien für 500.000 Elektroautos zu gewinnen. Laut einem Bericht des SWR erfolgen zuvor jedoch noch Tests bezüglich der Qualität des Rohstoffs. Zudem wird mit der Anlage Lithiumchlorid gewonnen, das dann wiederum in die in der Automobilindustrie benötigte Lithiumform umgewandelt werden muss. Mit Blick auf diesen so gefragten Rohstoff bleibt die Abhängigkeit von anderen Staaten vorerst also weiter bestehen. Genau dieses Problem könnte die Natrium-Ionen-Technologie jedoch ebenfalls lösen. Im Gegensatz zu Lithium oder auch Kobalt ist Natrium leichter, günstiger und auch nachhaltiger zu gewinnen. Parallel zur Weiterentwicklung dieser Technologie sollen auch die entsprechenden Produktionskapazitäten in Deutschland wie auch in der EU ausgebaut werden. Akkus für elektrisch betriebene Fahrzeuge werden gegenwärtig mehrheitlich in asiatischen Ländern wie China, Japan und Südkorea gefertigt

Northvolt kommt nach Deutschland

Fortschritte beim Natrium-Ionen-Akku vermeldete erst im November vergangenen Jahres der schwedische Konzern Northvolt. Die neueste Zelle des Unternehmens soll eine Energiedichte von 160 Wattstunden pro Kilogramm aufweisen. Wie die Financial Times damals berichtete, liegt diese damit nahe an vergleichbaren Lithiumbatterien. Die üblicherweise in Elektroautos verwendeten Lithiumakkus haben allerdings Energiedichten von 250 bis 300 Wattstunden pro Kilogramm. Dementsprechend ist die erste Generation der Natrium-Ionen-Zelle von Northvolt primär für die Energiespeicherung konzipiert. Künftige Modelle sollen jedoch eine höhere Energiedichte bieten und somit auch in der Elektromobilität zum Einsatz kommen. Peter Carlsson, CEO und Mitbegründer von Northvolt, ist überzeugt: "Unsere Natrium-Ionen-Technologie bietet die erforderliche Leistung, um eine Energiespeicherung mit längerer Lebensdauer als alternative Batteriechemien zu geringeren Kosten zu ermöglichen, und eröffnet damit neue Wege für den Einsatz erneuerbarer Energieerzeugung. Allein das Potenzial der Natrium-Ionen-Technologie in diesem Markt wird einen enormen Einfluss auf die weltweite Elektrifizierung haben."

 

Darüber hinaus will Northvolt in Schleswig-Holstein eine eigene Batteriefabrik bauen. Rund 3.000 Arbeitsplätze sollen damit in Heide im Kreis Dithmarschen entstehen. Eine großzügige finanzielle Unterstützung des Projekts durch den deutschen Staat wurde seitens der EU bereits genehmigt. “Diese deutsche Maßnahme in Höhe von 902 Millionen Euro ist die erste Einzelbeihilfe, die bewilligt wird, um zu verhindern, dass eine Investition aus Europa abgezogen wird, und zwar im Rahmen der neuen Möglichkeit, die der Vorübergehende Krisen- und Übergangsrahmen seit März 2023 bietet”, sagt Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission und zuständig für Wettbewerbspolitik. “Dies ist ein wichtiger Schritt für die Elektrifizierung des Verkehrs in Europa bei gleichzeitiger Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt.”

Der Baubeginn für das neue Werk, das bereits 2026 mit der Produktion starten soll, steht unmittelbar bevor. Northvolt strebt die Fertigung von rund 800.000 Batterien für Elektroautos pro Jahr an. Bei voller Auslastung der Anlage im Jahr 2029 sollen es dann bereits bis zu eine Million E-Fahrzeuge sein, die Batterien aus Heide erhalten. Northvolt beliefert diverse Automobilkonzerne, darunter etwa BMW oder Scania.

Erleichtertes Recycling

Neuigkeiten vermeldet auch der Batteriehersteller Clarios. Gemeinsam mit dem Unternehmen Atris, das im F&E-Bereich auch mit Northvolt kooperiert, sollen Natrium-Ionen-Batterien weiterentwickelt werden. Im Fokus stehen dabei insbesondere Niederspannungs-Systeme mit bis zu 60 Volt, die sowohl in Neufahrzeugen als auch auf dem Ersatzmarkt Verwendung finden sollen. “Langfristiges Ziel ist es, einen detaillierten Produktionsplan für Niederspannungsbatteriesysteme mit Na-Ionen-Zellen zu entwickeln”, heißt es seitens der beiden Partner. Clarios und Atris wollen mit der gemeinsamen Arbeit die Elektromobilität ebenso wie die Kreislaufwirtschaft innerhalb der Automobilindustrie voranbringen.

Ein wichtiger Punkt ist dabei, dass Natrium-Ionen-Akkus vergleichsweise leicht zu recyceln sind. Als einen Grund dafür führt Prof. Michael Stelter vom Fraunhofer IKTS und Direktor am Center for Energy and Environmental Chemistry CEEC der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) in Jena das Fehlen von Kupfer und Cobalt in dieser Art von Akkus an. In einem Blogbeitrag auf der Webseite des Fraunhofer IKTS erläutert der Professor: “Recycling benötigt man daher lediglich für die wenigen wertvollen metallischen Elemente der Batterie. Neben Eisen geht es hier also insbesondere um Aluminium, das wir als Stromableiter nutzen.” Er ergänzt: ”Interessant für den ökologischen Fußabdruck im Recycling wären aber sicherlich die vorgelagerten Synthesen der Batteriematerialien mit dem Potenzial, direkt die hergestellten Materialien wieder zurückzugewinnen”.

Stellantis mit strategischen Beteiligungen

Auch aufseiten der Automobilhersteller gewinnt die Thematik zunehmend an Bedeutung. So hat sich erst kürzlich Stellantis eine strategische Beteiligung an dem in Frankreich ansässigen Unternehmen Tiamat gesichert. Tiamat ist ein Spin-off des französischen Nationalen Zentrums für Wissenschaftliche Forschung (CNRS), das die Natrium-Ionen-Batterietechnologie entwickelt und vermarktet. Die Erlöse aus einer Finanzierungsrunde – an der Stellantis N.V. über seinen Corporate Venture Fund Stellantis Ventures beteiligt ist – wird das Unternehmen für den Bau einer Natrium-Ionen-Batterieanlage in Frankreich verwenden. In dieser sollen zunächst stationäre Speicheranwendungen produziert werden, ehe die Herstellung von Komponenten für BEV-Anwendungen hochgefahren wird.

„Die Erforschung neuer Optionen für nachhaltigere und erschwinglichere Batterien, die weithin verfügbare Rohstoffe verwenden, ist ein wichtiger Teil unserer Ambitionen im Rahmen unseres Strategieplans ‚Dare Forward 2030‘, mit dem wir bis 2038 Netto-Null-CO2-Emissionen erreichen wollen“, unterstreicht Ned Curic, Stellantis Chief Engineering and Technology Officer. Zur Umsetzung dieses Plans hat sich der Konzern die Versorgung mit Rohstoffen für Elektrofahrzeuge bis 2027 durch die Unterzeichnung entsprechender Vereinbarungen auf der ganzen Welt gesichert. 

China legt vor, Batteriebedarf steigt 

Wie schnell die Natrium-Ionen-Akkus Einzug in die Elektromobilität halten, wird sich zeigen. Ein internationaler Vorreiter in dieser Hinsicht ist wie so häufig China. Dort werden die ersten E-Automodelle mit Natrium-Ionen-Akkus laut einem Bericht des Spiegel bereits in Serie produziert. Bezüglich der Nutzung der Technologie über alle Fahrzeugklassen hinweg heißt es in dem Bericht: “Natrium-Ionen-Batterien sind weitaus günstiger in der Herstellung, allerdings sind sie auch schwerer.” Das schränke die Möglichkeiten der Autobauer zumindest aktuell noch ein. 

Auf der anderen Seite gibt es zwei weitere Faktoren, die insbesondere mit Blick auf E-Autos für Natrium-Ionen-Alternativen sprechen. Gegenüber ihren Lithium-Ionen-Pendants erweisen sie sich in verschiedenen Tests als weniger brandanfällig. Zudem sollen insbesondere die neuesten Generationen laut Herstellerangaben auch bei Minusgraden voll funktionsfähig sein und damit das Leistungsvermögen von Lithium-Ionen-Zellen übertreffen. 

Unabhängig von der jeweiligen Technologie ist in den letzten Jahren eine erhebliche Dynamik im Batteriemarkt entstanden. Dass der Bedarf auf absehbare Zeit weiter steigen wird, bestätigt eine Studie von McKinsey, die Anfang 2023 veröffentlicht wurde. Den Analysten zufolge wächst die Nachfrage bis 2030 um jährlich 30 Prozent auf dann 4.700 GWh. Das Gros davon wird auf Anwendungen in der Mobilität entfallen, wobei die Studie das gesamte Umsatzpotenzial im Jahr 2030 auf über 400 Milliarden US-Dollar beziffert.

Patrick Schaufuss, Co-Autor der Analyse und Partner im Münchner McKinsey-Büro, schränkte damals jedoch ein: „Trotz der Ankündigungen vieler Projekte – die Batterieindustrie wird auf Jahre hinaus weiter von Knappheiten bestimmt sein und bleibt damit ein Angebotsmarkt. Nicht alle angekündigten Projekte werden voraussichtlich wie geplant realisiert werden.” An den genannten Knappheiten dürfte sich vor allem mit Blick auf die Rohstoffe wenig geändert haben. In diesem Zuge könnten Natrium-Ionen-Akkus – entsprechende Marktreife vorausgesetzt – an Bedeutung gewinnen. Perspektivisch dürfte dann auch das Thema Batterierecycling eine größere Rolle spielen

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