Leichter Aufwärtstrend bei Besucherzahlen

Automechanika spiegelt Transformationsprozess des Aftermarkets

Messe FrankfurtDie Automechanika erreicht in den Besucherzahlen nicht mehr das Vor-Corona-Niveau.   Foto: Kay Lehmkuhl

Von Daniel Willrich und Kay Lehmkuhl

Die Zeiten, in denen die Messe Automechanika Zahlen von über 130.000 Besuchern kommunizieren konnte, sind vorbei. Die Ausgabe 2022 lockte laut den Verantwortlichen der Messe Frankfurt Exhibition GmbH als Nach-Corona-Event rund 80.000 Besucher in die Hallen – der Trend zeigt 2024 aber wieder nach oben: „108.000 Besucher aus 172 Ländern nutzten das Angebot, um sich auf den neuesten Stand zu bringen”, so die Bilanz der Messegesellschaft. „In Zeiten digitaler Transformation hat die Branche wieder eine unglaubliche Innovationsstärke bewiesen. Gemeinsam mit unseren Ausstellern haben wir die richtigen Akteure zu den entscheidenden Themen wie zum Beispiel alternative Antriebe, Sustainability und den Einsatz von KI und Robotik im Automotive Aftermarket auf die Bühnen und in die Messehallen gebracht“, bekräftigt Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt.

„Driving Transformation” lautete der Claim der diesjährigen Automechanika. In den mit 4.200 Ausstellern aus 80 Ländern gefüllten Messehallen wurde dieser erlebbar: in den Unternehmenspräsenzen, in zukunftsweisenden Vorträgen zu Schlüsselthemen wie digitale Transformation, nachhaltige Mobilität und Künstliche Intelligenz, in praxisnahen Weiterbildungsworkshops, in der Sonderschau „Werkstatt der Zukunft“ und in Diskussionspanels. Ein besonderer Schwerpunkt der diesjährigen Automechanika lag auf nachhaltigen Technologien, Produkten und Lösungen. „Nachhaltigkeit ist eine Chance”, unterstrich etwa Philip Nelles, Mitglied des Conti-Vorstands und verantwortlich für den Unternehmensbereich ContiTech im Rahmen der Automechanika-PK des Hannoveraner Automobilzulieferers. Das eigene Angebot konsequent hinsichtlich nachhaltiger Gesichtspunkte zu optimieren, wirkt auf erster Ebene als Möglichkeit der Abgrenzung zum Wettbewerb. Ausgefeilte Lösungen, die zugleich heutigen – und womöglich sogar zukünftigen – Ansprüchen an Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit genügen und zugleich in performanter Hinsicht überzeugen, dienen zugleich auch als Ausdruck der eigenen F&E-Kompetenz. Mögliches Einsparpotenzial, das sich erst in den kommenden Jahren in vollem Umfang offenbart, kann als weiteres Argument dienen. 

Bei Continental manifestiert sich dieser Ansatz im neuen Keilriemen Conti NXT, für den – ähnlich wie für das gleichnamige Reifenmodell – ein hoher Anteil an nachwachsenden und recycelten Materialien genutzt wird. Besonders ist an diesem Produkt nach Aussage von Philip Nelles darüber hinaus, dass in diesem Falle der Aftermarket als „Trendsetter für die Erstausrüstung” fungiert. Dass Conti diesen für gewöhnlich in umgekehrter Richtung laufenden Entwicklungsweg umkehrt, ist laut Rolf Sudmann, Head of Aftermarket ContiTech, „Ausdruck des Markt-Gestaltungswillens” der Hannoveraner. Diese Absicht wird auch an der großen Portfolio-Offensive deutlich, die Continental zur Automechanika verkündete. Neu im Produktkatalog sind etwa Ersatzteile für Fahrwerk und Lenkung, aber auch Kamera- und Radarsensoren sowie Benzinhochdruckpumpen. Speziell mit Blick auf die E-Mobilität sowie die Euro-7-Verordnung erweitert die Aftermarket-Sektion des Konzerns ihr Bremsensortiment um die neue Produktlinie ATE New Original. „Der Fuhrpark auf unseren Straßen verändert sich zusehends. Immer mehr Fahrzeuge mit Fahrerassistenzsystemen oder auch E-Fahrzeuge kommen in die freien Werkstätten, deren Kunden zu Recht hochwertige Reparaturen erwarten. Auf die steigenden technischen Anforderungen antworten wir mit einer Ausweitung unseres Portfolios in Erstausrüstungsqualität und Serviceangeboten für die Werkstätten“, so Enno Straten, Leiter des Geschäftssegments Automotive Aftermarket bei Continental. So umfassend die Messepräsenz von Conti auf der Automechanika auch war, im Konzern und besonders in der Aftermarket-Sparte herrscht Unruhe – wie im Vorfeld der Messe publik wurde, steht vermutlich der nächste Spin-off bei Continental bevor.

Elektrifizierung und Thermomanagement

Mahle Aftermarket inszenierte sich auf der Automechanika als „globaler Full-Service-Anbieter für freie Werkstätten”. „Wir sind in der Lage, unseren Werkstattkunden Lösungen und Technologien für alle aktuellen und künftigen Antriebsarten anzubieten“, bekräftigte auf der Messe Philipp Grosse Kleimann, Mitglied der Mahle-Konzernleitung und Leiter des Geschäftsbereichs Aftermarket. Ein Messe-Fokus lag auf der Elektrifizierung und dem Thermomanagement. Beide Bereiche nehmen eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Mobilität der Zukunft ein. So präsentierte die Ersatzteil- und Servicesparte des Automobilzulieferers ihre gesamte Produktlinie für die Batterie-Pflege und -Diagnose BatteryPro, ein neues CO2-Klimaservicegerät und das neue Diagnosegerät TechPro 2. Auch Lösungen aus dem Erstausrüstungsgeschäft wurden gezeigt, um die Technologiekompetenz des Konzerns zu demonstrieren. 

Auf der Automechanika trat die Division Automotive Aftermarket von Schaeffler erstmals unter dem neuen Namen Schaeffler Vehicle Lifetime Solutions (VLS) auf. Trotz der gerade für Zulieferer wie Schaeffler oder auch Continental nach wie vor großen Relevanz des Verbrenners adressiert der Konzern mit einigen auf der Messe vorgestellten Neuheiten die – wenn auch langsam – wachsende Stromerflotte. Beim E-Axle-RepSystem-G und dem E-Axle-RepSystem-M handelt es sich um werkstattgerechte Lösungen, mit denen sich das Getriebe und der Motor in der E-Achse eines elektrischen Volkswagen Golfs oder Hyundai Ioniq reparieren lassen. Dies soll den bislang nötigen Kompletttausch überflüssig machen. Wie genau die Reparatur abläuft, zeigten die Experten der Schaeffler-Servicemarke Repxpert während der Messe. „Damit demonstrieren wir unsere Unterstützung für den Markt und unserer Partner”, betonte Maik Evers, Leiter des Produktmanagements Powertrain Systems bei Schaeffler Automotive Aftermarket, der zugleich auf diverse ausgestellte Vitesco-Produkte verwies, die nach Abschluss der Übernahme künftig unter dem Schaeffler-Dach vermarktet werden. Als „zukünftiges Schlüsselprodukt” des Aftermarket-Sortiments wurde in Frankfurt ein NOx-Sensor von Vitesco Technologies präsentiert. 

Brembo – von der Erstausrüstung in den Ersatzmarkt

Beim Bremsenspezialist Brembo standen insbesondere die neuen Aftermarket-Lösungen im Fokus. So offerieren die Italiener ihre in der Erstausrüstung erprobten CCM-Bremsscheiben (Carbon Ceramic Material) künftig auch für den Ersatzmarkt. Wesentliche Vorteile des Produkts sind laut Unternehmensangaben das bis zu 50 Prozent geringere Gewicht gegenüber gusseisernen Bremsen sowie der konstant hohe Reibungswert, der den Bremsvorgang sicherer machen soll. Darüber hinaus betonten die Brembo-Verantwortlichen um Aftermarket-COO Roberto Caravati in Frankfurt die Breite ihres Portfolios, „das auch viele Nischenanwendungen bedient”. Mit Blick auf künftige Neuheiten formulierte Caravati den Entwicklungsanspruch von Brembo wie folgt: „Jedes unserer neuen Produkte muss grüner sein als das vorherige, natürlich aber auch eine bessere Performance zeigen.”

Die Großen des Automotive Aftermarkets waren auf der diesjährigen Automechanika erneut nahezu komplett vertreten – natürlich auch ZF als wichtiger Impulsgeber der Branche. Auf dem Messestand des Automobilzulieferers konnten Werkstätten sich unter anderem über den Ausbau der Diagnosekompetenz von ZF informieren. ZF [pro]Diagnostics soll einen umfassenden Zugang zur marken- und systemübergreifenden Diagnose für eine breite Palette des europäischen Fuhrparks bieten, darunter Pkw und Nutzfahrzeuge aller Kraftstoffarten. “Mit ZF [pro]Diagnostics können freie Werkstätten, Reifenservice-Betriebe und Flotten ihre Effizienz steigern und neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen, indem sie ihre Diagnosekompetenz mit der professionellen Lösung für Fahrzeugdiagnose und -kalibrierung erweitern”, warb die ZF-Leitung. Auf der Automechanika in Frankfurt präsentierte der Konzern darüber hinaus neue Entwicklungen in den Bereichen Elektrifizierte Mobilität, Fahrerassistenzsysteme und Bremstechnologie. Dazu gehören unter anderem Reparatursätze für das ZF CeTrax-System, die neuen Sachs-Premium-Komfort-Ventilstossdämpfer und der ZF Smart Tachograph.

Und auch der Branchenriese Bosch zeigte Flagge. Neue Antriebstechnologien, zunehmende Digitalisierung und immer kürzere Entwicklungszyklen der Automobiltechnologie verlangen den Werkstätten viel ab, bekräftigten die Bosch-Verantwortlichen auf der Automechanika. Der laufende Transformationsprozess biete aber zahlreiche Möglichkeiten, neue Geschäftsfelder zu erschließen, effizienter und nachhaltiger zu arbeiten. Bosch will Werkstätten und Servicebetriebe mit seiner Kernkompetenz stärken: dem Warten und Reparieren von Fahrzeugen. Auf der Automechanika in Frankfurt war unter anderem die weiterentwickelte ESI[tronic] Evolution ausgestellt. Bosch hat seine Diagnosesoftware um eine Vielzahl neuer Funktionen für den Werkstattservice erweitert. Freie und Mehrmarkenwerkstätten sollen nun mit der Lösung in der Lage sein, nahezu jedes Fahrzeug zu diagnostizieren, zu warten und zu reparieren. ESI[tronic] Evolution vereint nun die Bereiche Diagnose, Bosch-Anleitungen für Wartung und Reparatur sowie Herstellerdokumente auf einer Software-Plattform.

Der Transformationsprozess der Branche spiegelte sich auf der diesjährigen Automechanika in deutlicher Weise in den Ausstellerpräsenzen. Die Messe in Frankfurt ist für Unternehmen des Automotive Aftermarkets ein nach wie vor wichtiges Event. Die durch ein umfangreiches Rahmenprogramm ausgeleuchteten Trends waren Elektrifizierung, Fahrzeugkonnektivität, Fahrerassistenzsysteme und Digitalisierung. Positiv resoniert wurde von vielen Messebesuchern die vorgenommene Erweiterung und Ausgestaltung der Programmanteile zur Wissensvermittlung. Michael Johannes, Vice President Mobility & Logistics der Automechanika bilanziert: „So ein Rahmen- und Eventprogramm hat es zu einer Automechanika in Frankfurt noch nie gegeben. Unser Angebot an Vorträgen und Praxisworkshops in vielen verschiedenen Themenbereichen wie zum Beispiel Karosserie & Lack, Elektrofahrzeuge, Nutzfahrzeuge, Caravan-Reparatur, 3D-Druck, Detailing und vieles mehr wurde vom Fachpublikum sehr gut angenommen. Studierende und Schüler haben die Möglichkeit genutzt, Autoberufe live zu erleben und auszuprobieren. Neu in diesem Jahr war ein eigenes Programm und Areal speziell für die Generation Z, deren Aufmerksamkeit wir auf berufliche Perspektiven in der faszinierenden Welt der Automobilwirtschaft lenken wollten – und das mit großem Erfolg.“

 Philipp Grosse Kleimann
Borg Warner Automechanika

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