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(U)UHP-Reifen: Prestigeträchtiges Performancesegment

Toyota Supra ContinentalAuch der Toyota Supra stellt hohe Anforderungen an seine Reifen.  Foto: Continental

Los ging die Entwicklung in den letzten Jahren zunächst mit Reifen der Bezeichnung “High-Performance”. Die Namensgebung derartiger Produkte sollte aus Sicht der Hersteller die Eignung für zunehmend stärker motorisierte Fahrzeuge kenntlich machen – ohne dass es für eine derartige Klassifikation jedoch einheitliche Grundlagen gab. Mit dem anhaltenden Trend zu immer leistungsstärkeren Fahrzeugen stiegen auch die Anforderungen an die Reifen nochmals an. Da auch das Leistungsvermögen der Pneus mit wuchs, galt es seitens der Reifenindustrie, diesen Performaneanstieg auch in der Produktbezeichnung abzubilden: Ultra-High-Performance-Reifen (UHP), als Abgrenzung zu den bisherigen High-Performance-Reifen (HP) gewannen an Bedeutung.

Mittlerweile finden sich bei nahezu allen Reifenherstellern UHP-Profile im Sortiment. Auch wenn für diese Bezeichnung – ebenso wie für das vorherige HP – klar definierte Leistungskriterien fehlen, gibt es zumindest hinsichtlich der Abmessungen verbreitete Standards. UHP-Reifen sind Breitreifen, die in der Regel ein Höhen-Breiten-Verhältnis von ≤ 45 Prozent aufweisen und mindestens den Geschwindigkeitsindex V (240 km/h) erreichen. Da mit dem Leistungsanstieg der Fahrzeuge auch Gewicht und Größe wuchsen, nahm auch der Raddurchmesser zu. UHP-Reifen beginnen heute je nach Hersteller ab 17 respektive 18 Zoll. Typische Dimensionen sind laut ADAC etwa 225/45 R17 91 W oder auch 235/30 ZR 19.

Wachsendes Segment

Die Nachfrage nach derartigen Reifen ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. In zunehmendem Maße werden die Reifen auch auf Modellen der Klein- und Kompaktwagenklasse verbaut. UHP- und Runflat-Reifen haben zusammen einen Marktanteil an allen Pkw-Reifen von ca. 25 Prozent. “Das UHP-Segment ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Durch die Elektromobilität und besonders durch Hybride haben wir nochmals einen deutlichen Boom erlebt,” berichtet Philipp Mendelski, Technical Customer Interface Manager bei Continental.

Hinlänglich bekannt dürfte dabei in der Branche die Tatsache sein, dass – aufgrund der fehlenden Definition sowie logischerweise auch bedingt durch die unterschiedliche preisliche Ausrichtung einzelner Produkte – UHP nicht gleich UHP ist: Ein UHP-gekennzeichnetes Profil aus dem Budget-Segment dürfte leistungstechnisch kaum mit einem ebenso bezeichneten Produkt eines Premiumherstellers mithalten können. Dieser Thematik hat sich der TÜV Süd im Jahre 2019 bereits gemeinsam mit dem Medium auto-illustrierte angenommen und die – herstellerseitig jeweils als UHP gelabelten – Goodride SA-07 sowie Goodyear Asymmetric 5 und Goodyear SuperSport gegeneinander antreten lassen. Gravierende Unterschiede insbesondere in puncto Nässeperformance ließen die beiden Partner zu dem Fazit kommen, dass UHP vornehmlich ein Marketinginstrument sei. Mit Blick auf die Aussagekraft der Bezeichnung ist dem sicherlich zuzustimmen. Die signifikant unterschiedliche Preisschiene, die die geprüften Profile bedienen, dürfte allerdings bei kundigen Verbrauchern – und beim Reifenfachhandel ohnehin – für die benötigte Klarheit sorgen. 

OE-Freigaben als Beweis für die Produktqualität

Ähnlich verhält es sich auch mit einer Bezeichnung, die erst in der jüngeren Vergangenheit Einzug in den Reifenmarkt gehalten hat. Mit dem Label UUHP (Ultra-Ultra-High-Performance) grenzen einige Hersteller ihre Produkte speziell für moderne Supersportwagen von “herkömmlichen” UHP-Reifen ab. Beispiele für derartige Reifen sind etwa der Bridgestone Potenza Sport, Michelins Pilot Sport 4S, der Pirelli PZero PZ4, Goodyears Eagle F1 SuperSport-Reihe, der Continental SportContact 7 oder auch der Ventus S1 evo Z von Hankook. Erst im Herbst 2023 legte zudem die Marke Falken mit dem Azenis RS820 ihr erstes UUHP-Profil nach. Fahrzeuge, für die derartige Höchstleistungsgummis infrage kommen, sind etwa Audi R8, Aston Martin Vantage, BMW M5, Cupra Formentor, Porsche 911 oder Mercedes-Benz AMG GT. 

Was die Qualität angeht, gelten für UUHP-Reifen mindestens dieselben Ansprüche wie für UHP-Reifen. Getrimmt auf eine hohe Fahrdynamik sollen die Pneus auch in puncto Lenkpräzision, Kurvenstabilität, Schräglaufsteifigkeit, Grip und Fahrstabilität überzeugen. Letztlich lassen allerdings UUHP-Reifen schon allein gemäß ihres Anspruchs und ihres Namens nochmals eine Spur mehr Leistungsfähigkeit als UHP-Gummis erwarten. Bezüglich der Unterschiede von UHP- und UUHP-Reifen erklärt Philipp Wolz, Product Planner bei Falken Tyre Europe GmbH: “Die Abgrenzung erfolgt zum einen durch die Auswahl der Größen, da diese hauptsächlich für Sportfahrzeuge sind, aber auch durch die Ausrichtung des Reifens in der Entwicklung.”

Als wesentliche Kennzeichen von UUHP-Reifen nennt Roland Hehner, Direktor Vertrieb Deutschland Mitte und Leiter Produkt & Tuning bei Hankook Reifen Deutschland, vor allem den hohen Positivanteil des Profils. "Auch Geschwindigkeitsfreigaben bis 300 km/h sind typisch”, so der Hankook-Experte weiter. Exakt diese Kriterien erfüllt auch der neue Falken Azenis RS820, bei dem der Hersteller zudem auf die “besonders präzisen Handling-Eigenschaften” verweist. Die Bedeutung dieses Faktors wiederum bestätigt auch Philipp Mendelski: “Bei der UUHP-Entwicklung haben wir gerade im Erstausrüstungsbereich etwas andere Schwerpunkte. Das Handling ist dabei aber zentral.” Der Continental-Experte unterstreicht zugleich einen zentralen Aspekt des UUHP-Segments. Die Anforderungen von renommierten Sportwagenherstellern und Edeltunern erfüllen zu können, zahlt direkt auf die eigene Reputation ein. “Erstausrüstungsfreigaben sind der beste Beweis für die Qualität eines Produkts”, so Mendelski. 

Logistischer und finanzieller Aufwand 

Dafür nehmen die Reifenhersteller “sehr, sehr viel Entwicklungsarbeit” auf sich, wie Mendelski berichtet. Entsprechend der Hochleistungs-Ausrichtung von UUHP-Produkten greifen die Unternehmen vielfach auf ihre Motorsport-Kompetenzen zurück, wie etwa die Falken-Entwickler anlässlich der Vorstellung des Azenis RS820 betonen. “Mit dem Azenis RS820 wird der Leitsatz „Vom Motorsport auf die Straße“ einmal mehr auf ein neues Level gehoben. Unser Ziel war es, nochmals eine verbesserte Performance, insbesondere im Trockenen, zu erreichen. Der UUHP-Reifen bildet somit die neue Speerspitze in unserem Portfolio”, sagt Philipp Wolz. Elementar sind vor allem Erfahrungen hinsichtlich der genannten Leistungskriterien Dynamik und Fahr- und Kurvenstabilität sowie Grip. “In vielen Fällen lässt sich UUHP auch als eine Art Vorstufe zum Motorsport sehen”, fügt Roland Hehner hinzu. 

Mit Blick auf das OE-Geschäft verweist Philip Mendelski zudem auf die von führenden Automobilherstellern geforderten Testfahrten auf der Nordschleife oder anderen Motorsportstrecken. Continental profitiert dabei nach Aussage Mendelskis auch von Zusammenarbeit mit Tuning-Spezialisten wie AC Schnitzer oder Brabus. “Das ermöglicht uns Übertragungen von Tendenzen, die wir im Tuningsektor sehen, in die Serie”, sagt Mendelski. Dafür setzt der Konzern auch auf die Möglichkeiten seines High Performance Technologie Centers (HPTC) in Korbach.

Ein weiterer im UUHP-Bereich nicht zu unterschätzender Faktor ist das Thema Kosten. “Durch die verwendeten Materialien – beispielsweise einen höheren Aramid-Anteil für die Verstärkung der Karkasse – sind UUHP-Reifen in der Entwicklung teurer”, erläutert Roland Hehner. Dies spiele vor allem in der Erstausrüstung eine zentrale Rolle. Aber auch in der Herstellung gibt es merkliche Unterschiede. “Im UUHP-Bereich produzieren wir häufig keine Volumengrößen, entsprechend gibt es weniger Skaleneffekte”, führt Mendelski aus. Für den SportContact 7 musste Continental zudem zunächst in entsprechende Fertigungslinien investieren. 

Mit Blick auf die Zukunft und den ungebrochenen Trend zu immer größeren und leistungsstärkeren Fahrzeugen sind auch die Reifenhersteller weiter gefragt. Zwar gibt es in puncto Entwicklung physikalische sowie mitunter auch regulatorische Begrenzungen, doch was die Größe angeht, scheint das Ende noch nicht erreicht. “24-Zoll-Reifen sind beim Ferrari Purosangue schon serienmäßig verbaut. Von daher könnte ich mir durchaus auch vorstellen, dass wir irgendwann 25- oder 26-Zoll-Reifen haben”, blickt Philip Mendelski voraus. (dw)

Roland Hehner Hankook
Continental SportContact 7
Michelin Pilot Sport 4S
Hankook_Ventus S1evoZ_Profil

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