Immer mehr schwerere Fahrzeuge

Was halten unsere Brücken aus?

Leverkusener Rheinbrücke AufmacherEin Teil der neuen Leverkusener Rheinbrücke ist schon fertiggestellt und in Betrieb, während die alten Teile noch abgebaut werden müssen.  Foto: Marian Menge

Um die (kurze) Antwort vorwegzunehmen: „Das tatsächliche Gewicht von Pkw spielt im Brückenbau keine wesentliche Rolle.“ So formuliert es auf Nachfrage die Schimetta Consult ZT GmbH, ein im österreichischen Linz beheimateter Spezialist für Bauwerke in Sachen Verkehrsinfrastruktur, der international agiert und unter anderem für den 6-streifigen Ausbau der A59 im Bereich des Duisburger Hafens als Planungsbüro zuständig ist. Und auch der Landesbetrieb Straßenbau NRW (kurz Straßen.NRW) zeigt sich bei dem Thema gelassen. Isabell Strietholt von der Straßenbauverwaltung, die die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen verantwortet, kommentiert: „Das höhere Gewicht von Pkw mit Elektroantrieb ist für die Planung von neuen Brücken voraussichtlich von untergeordneter Bedeutung.“

Immer schwerer werdende SUV und Elektroantriebe gehören also nicht zu den Gefahren und Problemen der hiesigen Brücken. Aber warum eigentlich nicht? Und warum sind tausende Brücken in Deutschland überhaupt sanierungsbedürftig?

Belastungsproben

Eindrucksvoll vor Augen geführt, was ein Brückenbauwerk leisten kann, bekam man im Mai dieses Jahres, als auf der 136 Meter hohen und 935 Meter langen Moseltalbrücke (Bundesautobahn A61, Baujahr 1972) bei Koblenz Messarbeiten durchgeführt wurden. Für diese wurden in unterschiedlichen Formationen insgesamt 24 Vierzigtonner mit einem Gesamtgewicht von 960 Tonnen auf der Brücke geparkt. So sollten Rissbildungen an den Schweißnähten im Brückenkörper untersucht werden, die sich auf eine Ermüdung von geschweißten Stahlverbindungen zurückführen lassen. Im Vorfeld legt hierfür der Statiker fest, welche Laststellungen untersucht werden sollen und welche Verformungen diese rechnerisch an der Brücke auslösen. Am Tag der Belastungsprobe vermisst ein Vermessungsingenieur dazu die tatsächlichen Verformungen und liefert Messdaten, die in die bereits begonnenen Planungen zur Instandsetzung eingeflossen sind. Allein die Bilder dieser Messungen lassen das nicht fachkundige Auge erkennen, dass ein paar etwas schwerere Pkw da kaum ins Gewicht fallen und wenig Schaden anrichten können.

Moseltalbrücke Messungen
Der 960-Tonnen-Test: Auf der Moseltalbrücke bei Koblenz wurden für Messarbeiten zwei Dutzend 40-Tonner abgestellt. Foto: Maurice Kaluscha, Autobahn GmbH

Änderungen der Vorgaben

In Großbritannien wird das Thema unterdessen, vor allem im Hinblick auf alte Brücken, ein wenig heißer diskutiert. Dort konstatierte die Tageszeitung The Telegraph im Mai 2023 mit der Überschrift: „Das schiere Gewicht von Elektrofahrzeugen könnte unsere Brücken zum Einsturz bringen“, dass durchaus Teile der Infrastruktur akut in Gefahr seien. Eine Studie der Universität Edingburgh hatte nahegelegt, dass schwerere Autos für einen 20 bis 40 Prozent schnelleren Verschleiß sorgen könnten. Anders hierzulande, wo etwa die Wochenzeitung Die Zeit 2022 unter der Headline „Große Autos, große Schäden“ die Frage zwar nicht abschließend klärt, jedoch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit der Aussage zitiert, dass die Gewichtszunahme von Pkw kein grundsätzliches Problem für Straßen und Brücken darstelle. Das sieht man auch bei Straßen.NRW so, die in Nordrhein-Westfalen für die Planung, den Bau und den Betrieb des überörtlichen Straßennetzes verantwortlich sind: „Aktuell sind keine Auswirkungen auf den Bauwerkszustand bekannt“, teilt uns die Straßenbauverwaltung mit und schränkt gleichzeitig ein, dass es in Zukunft von den Entscheidungen der zuständigen Gesetzgeber auf EU- und Bundesebene abhänge, ob und wie stark sich die zulässigen Fahrzeuggewichte bei Lkw mit Elektroantrieb erhöhen werden. Denn „höhere zulässige Gesamtgewichte können gegebenenfalls Einfluss auf die Planung von neuen Brücken haben“. Da die Belastungsansätze für Brücken in einer europäischen Norm, der sogenannten „DIN EN 1991-2 Verkehrslasten auf Brücken“ geregelt seien, müssten sie „bei einer starken Zunahme von Lkw mit Elektroantrieb überprüft und gegebenenfalls angepasst werden“. Dies gelte insbesondere für ältere Brücken mit geringeren Tragreserven, bei denen die statische Tragfähigkeit und mögliche Nutzungsdauer überprüft werden müssten. Und auch das BMDV teilt auf Anfrage von Automotive Insights entgegen seiner Aussage von vor zwei Jahren mit: „Wichtig ist: Die derzeit in der Straßenverkehrs-Ordnung geregelten Gewichte und Achslasten dürfen nicht überschritten werden, da die Tragfähigkeit bestehender, älterer Brücken für derartige Beanspruchungen nicht ausgelegt sind.“

Dies bestätigt mit der Asfinag Bau Management GmbH auch das österreichische Pendant zur deutschen Autobahn GmbH des Bundes: „Es kursieren derzeit im Europäischen Raum viele Ideen, die zulässigen Gesamtlasten von Lastkraftwagen zu erhöhen (z.B. Gigaliner oder größere zulässige Höhen von Lkw). Diese würden auch zu einer größeren Belastung für Fahrbahnen und Brücken führen. Besonders eine Erhöhung der zulässigen Achslast würde sich negativ auf den Bestand auswirken.“ Allerdings, so auch der zuständige Experte Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael Kleiser: „Eine Belastungszunahme durch elektrische Antriebe ist geringfügig. Daraus folgende zusätzliche Belastungserscheinungen bei älteren Brücken sind derzeit nicht erkennbar.“ Trotzdem hält das BMDV es für wichtig, dass momentan und in Zukunft „die Achslasten ahndungsfähig kontrolliert werden“.

Sicherheitspuffer

Dazu rechnen uns die Fachleute der Schimetta Consult ZT GmbH vor: „Bei der statischen Berechnung von Brücken werden Lastmodelle verwendet, die das Verkehrsgeschehen idealisieren. Für Pkw wird eine allgemeine Flächenlast angesetzt.“ Als Beispiel dient eine 3-streifige Autobahnbrücke, bei der auf dem ersten Fahrstreifen eine Last von 900 kg/m² angenommen wird, auf den anderen beiden Fahrstreifen jeweils 250 kg/m². Diese Lasten würden eine gleichmäßige Verteilung über die gesamte Brückenlänge repräsentieren, was wesentlich mehr sei als das Gewicht von normalen Pkw im Stau.

Somit kann einzig der immer mehr werdende Fernlastverkehr für gewisse Sorgenfalten sorgen, doch auch hier wird seitens der Ingenieure ein deutlicher Puffer beim Neubau von Brücken eingebaut. Dazu Schimetta: „Neben den Pkw-Lasten werden auch erhebliche Lkw-Lasten überlagert, ein 60-Tonner neben einem 40-Tonner und einem 20-Tonner. Diese Lasten sind erheblich und haben wesentlich mehr Einfluss auf die Tragwerksplanung und den Verschleiß einer Brücke.“ Hinzu kommen noch vorgegebene Sicherheiten in der statischen Berechnung.

Leverkusener Rheinbrücke
Der Verkehr fließt schon wieder, während schwere Maschinen noch die alten Brückenteile abtragen. Foto: Marian Menge

Faktor Belastungswechsel

Ein viel entscheidenderer Faktor als das Gewicht und damit Grund für zwischenzeitliche Tempolimits oder Sperrungen auf Autobahnbrücken wie der angesprochenen Moseltalbrücke oder auch der Rheinbrücke Leverkusen (A1), die zwischenzeitlich über einen langen Zeitraum gar nicht mehr von Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen befahren werden durfte, ist – neben Wind und Wetter – die mögliche Schädigung einer Brücke durch die ständigen Belastungswechsel (sprich: Be- und Entlastung). Hier seien die Amplituden der Belastungen und die Anzahl der Lastwechsel entscheidend für die Haltbarkeitsdauer des Materials, so Schimetta. Da im Laufe der Jahrzehnte das Fahrzeugaufkommen immer schwerer und hochfrequenter geworden ist, haben insbesondere ältere Brücken, die unter damals geringeren Lastannahmen gebaut wurden, entsprechende Verschleißerscheinungen. „Pkw tragen dazu jedoch kaum bei, da ihre Last im Vergleich zu Lkw sehr gering ist, egal ob 800 Kilogramm oder 2,5 Tonnen“, so die Experten. Und ein Lkw hingegen habe in etwa das Schädigungspotenzial von 10.000 Pkw. Dadurch würde auch ein Tempolimit für Pkw nur einen geringfügigen Einfluss auf die Haltbarkeit von Straßen und Brücken haben, ist man sich bei der Asfinag sicher, da vor allem Lkw für die Schädigung der Brücken und Fahrbahnen verantwortlich seien, und diese ohnehin schon einem Tempolimit unterworfen sind.

Soweit die lange Antwort. Das Fazit: Während das Gewicht und die Anzahl der Pkw bei der Haltbarkeit von Brücken keine große Rolle spielen, wird die Entwicklung der Lkw-Lasten und die steigende Zahl von Lkw-Überfahrten durchaus beobachtet und gleichzeitig darauf vorausschauend reagiert. Der Verkehr wird mehr, die Fahrzeuge schwerer, doch die Verantwortlichen sind vorbereitet.

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