Maik Taubitz über Margendruck im Teilehandel

„Frontwissen und Kundenfeedback sind eine maximal unterschätzte Währung”

Maik TaubitzMaik Taubitz kennt den Aftermarket aus verschiedenen Perspektiven.  Foto: mtch.

Das Thema "Margendruck im Teilehandel" wird aktuell viel diskutiert. Aus Deiner Sicht wird es aber nicht fundiert genug betrachtet. Welcher Blick auf die Problematik fehlt?

Maik Taubitz: In meinen Augen fehlt es immer mehr an Bindung und Transparenz zu den Abnehmern. Hersteller und Handel versuchen Produkte zu verkaufen, ohne dabei genau zu schauen, wie es am Ende der Lieferkette platziert und angeboten werden kann. Die wenigen Händler, die das im Blick haben, sind seit Jahren erfolgreich im Markt und verdrängen immer mehr Mitbewerber, was die Wettbewerbssituation maßgeblich beeinflusst. Im stationären Handel halten sie meist eine große Anzahl an Mitarbeitenden vor, um zum Beispiel fast wöchentlich vor Ort beim Kunden zu sein. Aber ist es noch zeitgemäß, alle 14 Tage den gleichen Kunden persönlich zu besuchen, um die Bindung zu halten? Hält oder steigert das maßgeblich die Margen? Zum Vergleich: Wie schaffen es die großen Onlinekonzerne, welche keine Mitarbeiter im Feld/beim Abnehmer haben, eine Bindung zur Zielgruppe aufzubauen sowie eine gute Kommunikationspolitik umzusetzen?

Schon heute können sowohl der stationäre als auch der Online-Handel, bedingt durch eine Vielzahl von Daten und Beobachtung, das Kaufverhalten ihrer Kunden präzise analysieren und unter anderem dadurch gezielt Möglichkeiten identifizieren und Chancen ergreifen, um dem Margendruck standhaft zu werden. Wer kauft welche Produkte, in welcher Kombination, wann, in welcher etwaigen Regelmäßigkeit und wo gehen diese hin? Welche Zusatzverkäufe könnten generiert werden? Wie steht es um Rabatte und Abomodelle? Brauchen die Kunden und Kundinnen immer eine 24/7 Verfügbarkeit oder kann man im B2B-Bereich die Supply-Chain anpassen und optimieren, indem man die Abnehmer direkt befragt, analysiert und berät? Und nicht zuletzt die große Frage: Wie erfolgt die Bindung und Kommunikation dem Kunden gegenüber?

Wie unterstützt Ihr als Dienstleister und Consultingunternehmen?

Maik Taubitz: Wir als Marketing- und Sales Agentur haben das Wissen aus über 20 Jahren gebündelt und Marketing & Sales gezielt miteinander verbunden, um den Fokus aktiv auf die „All-in-Beratung“ zu legen, indem wir als Team aus Marketing und Sales an einem Tisch arbeiten und gleichzeitig alle Beteiligten der „Community“ – also Hersteller, Handel, Werkstatt und Endabnehmer – in unserer Beratung berücksichtigen – samt aller Kanäle, die innerhalb der Prozesse und Kommunikation dazugehören. Damit erreichen wir, dass die Margen sowohl im Handel als auch in den Werkstätten auf einem hohen Niveau sind. Zeitgleich ermöglicht es allen Teilnehmern einen effektiven, kosten- und zeitreduzierten Austausch, um in den Schwerpunktthemen voranzukommen. 
Vor allem der Blick auf die betriebswirtschaftlichen Komponenten aber auch die Art der werblichen Kommunikation – zum Beispiel, die der Preise an den Einkäufer oder an den Endverbraucher – schaffen es kurz-, mittel- und langfristig die Margen auf allen Seiten sicherzustellen oder sogar zu erhöhen. Dabei durchleuchten wir die komplette Omnichannel-Strategie samt der Prozess-, Kommunikations- und Preispolitik. Spannend ist hierbei, dass wir alle an einem Tisch beziehungsweise in einem Boot sitzen, die Strategie für den Handel aber eine gänzlich andere ist als die für die Werkstatt. Obwohl es die gleiche Branche ist und es die gleichen Produktgruppen sind, setzen wir hier mit den Kfz-Meistern und -Meisterinnen strategisch anders an, als beim Groß- und Fachhandel. Die Kunst ist alle(s) in Einklang zu bringen, was den Erfolg ausmacht. Was anfangs eine Investition für die Unternehmen ist, ist langfristig gesehen eine Kostenreduzierung und Margenerhöhung ohne zwanghaft immer eine Preiserhöhung durchführen zu müssen. In den meisten Fällen sogar noch eine Umsatzsteigerung durch Neu- und Bestandskunden.

Im Bereich der Omnichannel-Strategien bei den Händlern sehen wir weiterhin ein bedeutendes Potential. Viele Onlineshops und Services im Independent Aftermarket haben eine unzureichende User Experience oder nutzen zu wenig Mittel und Optionen für eine Erhöhung der Conversion Rate. Dabei ist die Umsetzung oftmals nur wenige Stellschrauben weit entfernt – könnte manchmal sogar mit einer winzigen Anpassung in wenigen Minuten zu spürbaren Veränderungen führen. Um diese zu erkennen, braucht es Spezialisten, die in der Branche und im Marketing/Sales zu Hause sind.

Höhere Erträge = Fachkräfte = Investitionen = Mehrwert. Eine Idealkette – wie lässt sie sich in unserer Branche realisieren?

Maik Taubitz: Die Anforderungen im IAM haben sich in den letzten 20 Jahren gewaltig verschoben und werden auch in den kommenden Jahren immer spezifischer und Service-lastiger werden, was den Druck weiterhin erhöht. Die Prozesse der Hersteller und des Teilehandels passen sich zwar mehr und mehr den digitalen Voraussetzungen und Möglichkeiten an, aber nehmen dabei oftmals die Basis und damit ihre eigenen Kunden nicht mit. Dabei wäre es ratsam, umzudenken und in manchen Bereichen vom „top down“ hin zum „button up“ zu wechseln. Sprich: die kaufmännischen Kompetenzen eines Herstellers oder Händlers mit den handwerklichen Fähigkeiten von Werkstattbesitzer:innen zu kombinieren, sollte zukünftig ein großes Ziel sein. „Frontwissen“ und authentisches Kundenfeedback sind dabei eine maximal unterschätzte Währung, die quasi nichts kostet, aber viel liefert. 

Kannst Du das noch detaillierter aufschlüsseln?

Maik Taubitz: Es geht nicht nur um die tägliche Beratung des Teileeinkaufs, sondern auch um Themen wie die Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Personalpolitik. Seine eigenen Kunden und Kundinnen mit diesen Themen abzuholen, wäre eine große Hilfe für Werkstattbesitzer:innen und eine Chance für höhere Margen in der gesamten Lieferkette. Angefangen von A wie Ausbildungsmessen bis hin zu Z wie Zielgruppe oder Zusatzverkäufe, kann der Handel viele neue, unterstützende Maßnahmen und Serviceprodukte anbieten, die gleichzeitig dem Handwerk zugutekommen und damit die Möglichkeiten erhöhen, dass die Werkstatt sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren kann.

In meinen Gesprächen mit den Werkstatt- aber auch Fachhandelsbesitzern höre ich nur allzu oft, dass sie sich eine größere und gezieltere Unterstützung seitens der Zulieferer wünschen würden. Man stelle sich nur vor, ein Großhändler würde sein Netzwerk an Autohaus- und Werkstinhabern, Kfz-Meistern und -Meisterinnen bündeln und das Wissen der eigenen, gut aufgestellten HR-Abteilung im Zusammenhang mit der Mitarbeitergewinnung teilen. Vielleicht sogar gemeinsam mit ihnen auf eine Ausbildungs- oder Jobmesse gehen und ausstellen, um für die jeweiligen Berufe zu werben und Fachkräfte zu gewinnen. Wie Messen gehen, wissen GH's doch sehr gut. Denn mehr Fachkräfte in den Betrieben bedeutet für die Geschäftsführenden auch mehr Zeit für strategische Themen, welche bestenfalls in geringeren Kosten und mehr Erträgen münden. Den Mehrwert würden alle spüren. Ein weiteres Beispiel: Die Hersteller würden mit den Händlern und Werkstätten gezielte After Sales-Kampagnen starten, die von jedem Teilnehmenden einfach und effektiv umgesetzt werden können. Durch Maßnahmen, wie die aus den Beispielen, wäre es wieder möglich, dass die Umsätze und Erträge steigen, die Fachkräfte gehalten und Investitionen – auch in Mitarbeitende – getätigt werden können.

Was wird in den nächsten Jahren im Teilegeschäft relevant sein, was wir jetzt vielleicht noch gar nicht sehen?

Maik Taubitz: Jeder Hersteller, Händler und jede Werkstatt muss sich bereits seit Jahren fragen, wo sie in der Zukunft stehen möchte und mit wem sie gemeinsam ihre Wege bestreiten will. Die Kooperationen und Verschmelzungen im Handel werden immer konzentrierter und schneller abgewickelt. Einige Hersteller versuchen, über den direkten Verkaufsweg ihre Margen zu halten und so besteht für viele Händler:innen und Werkstätten die Gefahr, sich bald nur noch auf einer historischen Händlerkarte wiederzufinden. Gleichzeitig wird die Anzahl der benötigten Teile zurückgehen und damit das Stück vom Kuchen kleiner werden. Wer aber das Wort Diversifikationsstrategie nicht scheut, der hat gute Chancen, sich mit neuen Ideen, Produkten und neuen Absatzmärkten weiterhin fest zu etablieren.

Oftmals lassen sich hier auch die bereits bestehenden Kundenbeziehungen, die internen Kompetenzen und Strukturen nutzen, um neue Absatzmärkte auf- und auszubauen. Startups, aber auch bestehende Hersteller zeigen hier bereits interessante Ansätze, um den Teilehandel neu zu denken und sich diverser auszurichten. Abseits vom Kerngeschäft nutzen sie die Möglichkeiten der eigenen Strukturen, um beispielsweise statt Schmierstoffen zukünftig auch Erlebnisreisen anzubieten oder statt eines Reifens auch medizinische Geräte zu produzieren. Nach über 20 Jahren in der Automobilbranche ist eine Erfahrung und Empfehlung von mir für meine Kunden aber immer gleich: Diejenigen, die innovativ, planungsfreudig und mutig sind, sind immer einen Schritt voraus.

Maik, herzlichen Dank!

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