Zu Besuch auf dem TRIWO Testcenter

Pferdsfeld ist wachgeküsst

Marco Krohn TriwoMarco Krohn (r.), Geschäftsführer der TRIWO Automotive Testing GmbH, will Pferdsfeld sukzessive erweitern.  Foto: Kay Lehmkuhl

Pferdsfeld ist wieder erwacht, als Testzentrum für die Automotive Industrie – es ist ein Spätsommertag, wie gemalt für das Kennenlernen einer Teststrecke, die schon bald zu einem viel besuchten Ort im Berufsleben eines automotiven Fachjournalisten werden könnte. Die Sonne brennt von oben auf die Solare und den Asphalt nieder. Das Testareal Pferdsfeld ist idyllisch im Hunsrück gelegen, von Märchenlandschaften aus dichten Wäldern und sanften Hügeln umgeben. Die Umgebung mutet ein wenig so an, wie die einer Legende unter den deutschen Rennpisten: dem Nürburgring. Aber irgendwie erscheint es hier unter diesem Licht und umrankt vom satten Grün der Kurpfalz noch lieblicher und verwunschener, wie noch nicht wachgeküsst quasi. 

Wenn sich die Schranke zum Testgelände hebt, eröffnet sich nach Durchfahrt unmittelbar der Blick auf die ehemalige Start- und Landebahn. Ein kurzer Schwenk rechts und Marco Krohn, Geschäftsleiter der TRIWO Automotive Testing GmbH und Chauffeur am Tag des Redaktionsbesuchs von Automotive Insights, parkt sein Auto direkt vor dem Turm des Kontrollzentrums. Dieser ermöglicht die Aussicht über das gesamte Areal, auf sämtliche Streckenmodule. Motorengeräusche sind beinahe keine zu vernehmen. Das liegt aber nicht daran, dass keine Autos auf den Strecken unterwegs sind. Die neue Mobilität klingt anders. Die Erlkönige in Pferdsfeld kurven verstärkt elektrisch. Die Vorserie im Grenzbereich, alles top-secret, keine Fotos erlaubt. 

Geländeentwicklung seit 2020

Ein Blick zurück: Im Jahr 2003 bereits erwirbt die TRIWO AG die Liegenschaft, es folgt die  Ausweisung als Industriegebiet und Nutzung der ehemaligen Flächen zur Fahrzeugerprobung durch die Opel AG. Ab 2015 wird das Gelände als herstellerunabhängiges Testzentrum für Kraftfahrzeuge betrieben. Ab Anfang 2020 nimmt die Weiterentwicklung des Areals dann Fahrt auf: mit der Baugenehmigung für die erste Erweiterung der Teststrecken und dem Beginn der Bauarbeiten im gesamten Areal. Schnell wird der erste Handlingkurs fertiggestellt, dann im Frühjahr 2021 das Kundengebäude und der Nasshandlingkurs. Marco Krohn ist verantwortlich für die Entwicklung, er hat auf vielen Ebenen für einen Ausbau gekämpft und ihn mit seinem TRIWO-Team realisiert. Und nun steht dort ein Testgebiet, dass Automobil- und Reifenherstellern eine weitere Option eröffnet, flexibel und auf höchstem Niveau Fahrzeuge und Komponenten zu erproben. Krohn sieht Pferdsfeld als absolut wettbewerbsfähig zu anderen Geländen hierzulande. Und sämtliche belegte Boxen bestätigen den Eindruck: die Industrie nimmt das Angebot an. Die Namen, die in den Werkstätten werkeln, dürfen nicht genannt werden. Es sind aber äußerst namhafte Akteure. 

Mehr Flexibilität für Produktentwicklung

Das Angebot an Teststrecken eröffnet das gesamte Spektrum der Fahrzeug- und Reifenerprobung. Das TRIWO Testcenter Pferdsfeld bietet einen dreispurigen “Autobahn”-Abschnitt mit einer Länge von 3 Kilometern inklusive einer Steilkurve für hohe Einfahrtsgeschwindigkeiten, Nass- und Trockenhandlingkurse, Flächen für Tests im Aquaplaning sowie diverse Bremsprüfstrecken. Laut Marco Krohn wurde bislang ein mittlerer 2-stelliger Millionenbetrag in den Ausbau investiert. Aktuell ist die Erweiterung der Werkstattgebäude in Planung. “Das Potenzial für die Auto- und Reifenindustrie ist noch nicht erschöpft. Es sind weitere Bauprojekte hier in Pferdsfeld möglich”, so Krohn. Nah an den OEMs will Krohn mit seiner Mannschaft sein, auch eine spontane Nutzung ermöglichen. Dies dürfte auch gerade für die Reifenhersteller von Interesse sein, die in Europa über keine eigenen Testkapazitäten verfügen, für den europäischen Markt entwickeln und ihre Logistikkosten begrenzen wollen. Pferdsfeld ist vor allem auch ein Angebot für mehr Flexibilität in der Produktentwicklung.

“Entwicklungsarbeit, nah dran an den OEMs”

Bislang ist das Potenzial von Pferdsfeld in der automotiven Welt noch wenig kommuniziert. Lokale Journalisten berichteten über das Testzentrum der TRIWO, und auch Reporter deutscher Automagazine tauchten laut Krohn im “Schleppwasser” der großen Automobilkonzerne immer wieder auf. Nun aber ist das gesamte Spektrum an Strecken für die Fahrzeugerprobung eröffnet und auf konkurrenzfähigem Niveau. Pferdsfeld hat sich rausgeputzt, die Automobilindustrie soll die neuen Möglichkeiten kennen und schätzen lernen. Mit Blick auf die Zulieferer der Automobilhersteller wirbt Marco Krohn: “Hier kann man Entwicklungsarbeit nah dran an den OEMs leisten.” Krohn arbeitete vor seinem Start bei der TRIWO für einen großen internationalen Reifenhersteller. Zu jener Zeit habe es laut Krohn keinen vernünftigen, unabhängigen Nasshandlingkurs hierzulande gegeben. Das Schließen dieser Lücke identifizierte er als eine der Chancen, ein neues Testzentrum in Deutschland zu etablieren. Und wenn der Automotive-Enthusiast jetzt im August 2023 aus dem Kontrollturm über das gesamte Areal blickt, dann sieht er ein für sämtliche Outdoor-Tests entwickeltes Prüfgelände mit vielfältigem Potenzial zur Erweiterung. Pferdsfeld ist wachgeküsst.  

 

Triwo Pferdsfeld
Triwo Pferdsfeld
Triwo Pferdsfeld
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