ZF investiert in Transformationsprozess
Strategieplan soll mehr Agilität und Synergien ermöglichen
ZF baut mit einem langfristig angelegten Strategieplan seine Organisation weiter um. Der Zulieferer zielt auf beschleunigte Entwicklungsprozesse und mehr Anpassungsfähigkeit. Das Management erhofft sich durch die neue Struktur eine Stärkung der Geschäftsbereiche für Pkw und Nutzfahrzeuge sowie ein leistungsfähiges Aftermarket-Netzwerk.
Automobilzulieferer und Technologiekonzern – das formulierte Selbstverständnis drückt den Anspruch aus: ZF will Mitgestalter der Neuen Mobilität sein. Schaut man sich das Produktportfolio an, dann darf man tatsächlich davon sprechen, dass ZF einen festen Platz als impulsgebender Akteur der Automobilbranche hat. Das soll natürlich auch in Zukunft so sein. Notwendig hierfür sind eine besondere Anpassungsfähigkeit und Agilität. Genau darauf zielt der Strategieplan des Managements. Technologieoffen und mit einem breiten Spektrum an Lösungsansätzen für neue Mobilitätsformen wird ZF laut Unternehmensspitze auch künftig agieren. Im Vorfeld der IAA Transportation wird dies auf dem “Global Technology Day” skizziert. Im Schaufenster: Lösungen aus den Bereichen Dekarbonisierung, Digitalisierung, Fahrwerk und Sicherheit. Unter anderem kündigen die Konzern-Verantwortlichen auch ein neues Hybridgetriebesystem für schwere Nutzfahrzeuge an. ZF gilt als größter Zulieferer der Nutzfahrzeugindustrie. Mit flexiblen Produktionsstätten und einem spartenübergreifenden Technologietransfer soll diese Position verteidigt werden.
Die ZF Friedrichshafen AG hat ihren Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr um 6,5 Prozent auf 46,6 (2022: 43,8) Milliarden Euro gesteigert. Der Schuldenabbau wird vom Management unverändert stark vorangetrieben. Das Jahr 2024 werde ein Jahr der Umsetzung und weiteren Weichenstellungen für mehr Fokus, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit, sagte der ZF-Vorstandsvorsitzende Dr. Holger Klein bei der Vorlage der Geschäftszahlen im März. Strategisch wird feinjustiert. „Dank unseres technologieoffenen Ansatzes, des daraus resultierenden breiten Produktportfolios und der Flexibilität unserer Produktionsstätten können wir schnell auf Marktveränderungen reagieren. Damit sind wir in der Lage, Technologien miteinander zu kombinieren und unseren Kunden bei jedem Schritt der Transformation rasch und sehr flexibel die bestmögliche Lösung anzubieten“, bekräftigt ZF-Nutzfahrzeugvorstand Prof. Dr. Peter Laier. Neben Antriebslösungen zur Voll-Elektrifizierung von Lkw und Bussen kündigt der Technologiekonzern auch das neue Getriebe TraXon 2 Hybrid für schwere Nutzfahrzeuge an. Es soll helfen, den Übergang zur E-Mobilität zu gestalten und die ambitionierten CO2-Ziele zu erreichen. In Europa und den USA stagniert die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen. Preiskämpfe in vielen Märkten sind die Folge. ZF sieht sich laut Management auf “Zwischenschritte oder regionale Unterschiede vorbereitet”.
„Eine unserer größten Stärken ist unsere Flexibilität. Seit mehr als 100 Jahren gehört Technologieoffenheit zur DNA unserer Unternehmensstrategie. Das zahlt sich nun aus“, so Dr. Holger Klein. Mit einem langfristig angelegten Strategieplan baut der Konzern seine Organisation weiter um, will Entwicklungsprozesse beschleunigen und sich so an die neue Geschwindigkeit der Industrie anpassen. Diese neue Struktur umfasst die Geschäftsbereiche für Pkw und Nutzfahrzeuge, das Industriegeschäft und auch das Aftermarket-Netzwerk. Alle Segmente seien für einen langfristig profitablen Weg wichtig. Gleichzeitig sollen andere Bereiche im Unternehmen den nötigen Raum erhalten, sich schneller und agiler am Markt zu entfalten – etwa durch Partnerschaften oder mehr Eigenständigkeit, wie es heißt. Im wachsenden Kernmarkt für Achssystemmontage beschleunige beispielsweise die strategische Partnerschaft mit Foxconn das Wachstum und erweitere den Kundenkreis beider Unternehmen. Ein weiteres Umsetzungsbeispiel sei die Division Passive Sicherheitstechnik, die mittlerweile als „ZF Lifetec“ auf dem Markt auftritt: „Indem wir unsere Stärken stärken entsteht ein robustes ZF-Mutterschiff, umgeben von einer Flotte von Schnellbooten, die zur Entwicklung des Kerngeschäfts beitragen“, sagt Dr. Holger Klein.
Vom eingeschlagenen Strategiewechsel ist die Konzern-Leitung überzeugt und präsentiert Zahlen der Nutzfahrzeug-Division: „Mit einem organischen Wachstum von 20 Prozent im Jahr 2023 hat sich unsere Nutzfahrzeugdivision im Vergleich zum Markt überproportional stark entwickelt. Zusammen mit der Division Industrietechnik haben wir zwei besonders starke Bereiche, die den Erfolg unseres Unternehmens steigern“, teilt Prof. Dr. Peter Laier mit. Die Kompetenz von ZF beschränkt sich nach Aussage der Verantwortlichen nicht nur auf Nutzfahrzeuge, sondern erstrecke sich auf die meisten Fahrzeugklassen, was Synergieeffekte erzeuge. ZF will von Technologietransfers und Skaleneffekten über alle Geschäftsbereiche hinweg profitieren. Dadurch will man den Konzern in die Lage versetzen, Innovationen schnell zu industrialisieren und Kunden zu wettbewerbsfähigen Preisen zu bedienen.
Fahrwerk-Software cubiX
Ein Beispiel dafür, wie ZF über Divisionen und Segmente hinweg Synergien und vorhandenes technologisches Know-how nutzt, ist die Markteinführung der Fahrwerk-Software cubiX nun auch im Nutzfahrzeugbereich. Durch die zunehmende Automatisierung von Nutzfahrzeugen werden elektrifizierte und vernetzte Technologien zur Bewegungssteuerung von Fahrzeugen immer wichtiger. Mehr und mehr Kunden suchen gerade im Fahrwerk nach Differenzierungsmöglichkeiten über Funktionen, nach weniger Komplexität in der Entwicklungsphase und standardisierten Schnittstellen. cubiX ist genau dafür konzipiert: Die ZF-Steuerungssoftware für das Fahrwerk soll das Fahrverhalten mit Blick auf Stabilität, Sicherheit, Präzision und Performance optimieren. cubiX hat Schnittstellen zu den virtuellen Fahrersystemen und den Fahrzeugaktuatoren. Ursprünglich für Pkw entwickelt, erweitert ZF das cubiX-Portfolio in Richtung Nutz- und Sonderfahrzeuge. Dr. Holger Klein erläutert: „Damit tritt ZF im Markt mit einer einheitlichen und umfassenden Lösung für die Steuerung des Fahrwerks und des Antriebs auf – fahrzeugklassenübergreifend.”
Mehr Schnelligkeit und Agilität will ZF auch durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz generieren. Zu den ZF-Neuheiten auf dem “Global Technology Day” gehörte auch der cloudbasierte KI-Dienst Annotate, mit dem der Konzern die Entwicklung fortschrittlicher und autonomer Assistenzsysteme von Level 2+ bis Level 5 revolutionieren will. Die Servicelösung agiert als ein vom zu überprüfenden Sensorset unabhängiges, redundantes Set-up, das während der Fahrt auf der Straße mit den gleichen Informationen konfrontiert wird und nach der Annotation eine präzise Vergleichsmessung liefert. Lösungen für eine erhöhte Fahrsicherheit sind ebenfalls fester Bestandteil des Portfolios. Der Spurwechsel gehört besonders bei Lkw mit Aufliegern zu einem unterschätzten Fahrmanöver. Auf dem konzerneigenen Testgelände in Jeversen zeigt ZF einen Versuchsträger, der den Spurwechsel sicherer machen soll. Und auch beim Thema Sicherheit nutzt ZF konzernweite Synergien, denn rund die Hälfte der eingesetzten Technologien stammen nach Aussage des Managements aus dem Pkw-Segment. Auf der IAA Transportation bekommen Messebesucherinnen und Besucher das Spektrum an Lösungen präsentiert.