Brandgefahr

Brennen E-Autos schneller?

Fahrzeugbrand FeuerwehrDer Trend ist deutlich: E-Autos brennen nicht häufiger als konventionelle Fahrzeuge.  Foto: Feuerwehr München

Gastbeitrag von Dr. Marcel Schoch

Die Feuerwehren in Deutschland stehen zurzeit vor großen Herausforderungen. Grund ist die Energiewende, die unter anderem Lithium-Ionen-Akkus als Energiespeicher mit sich bringt. Hinzu kommen Vorgaben zur Nachhaltigkeit, die Bauen mit Holz und Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen verlangen. Auch mit Umweltauflagen muss sich die Feuerwehr auseinandersetzen. So muss bei Bränden darauf geachtet werden, dass Löschwasser bei Bränden beispielsweise in Recyclingbetrieben oder Altreifenlagern möglichst nicht ins Grundwasser oder in umliegende Gewässer gelangt.

„Neben diesen Herausforderungen müssen wir bei den Feuerwehren aber vor allem gegen viel Halbwissen bei der Brandbekämpfung von brennenden E-Fahrzeugen kämpfen“, sagt Dipl.-Phys. Björn Maiworm, Branddirektor in München und seit 2008 Obmann im DIN-Ausschuss für die DIN VDE 0132. „So zeigen jüngste Untersuchungen, dass allgemein die Brandentstehungswahrscheinlichkeit bei E-Autos wohl sehr viel geringer ist, als bei konventionellen Fahrzeugen.“ Jedoch weist Maiworm darauf hin, dass der Erfahrungszeitraum noch recht kurz ist im Vergleich zu Verbrennerfahrzeugen. Ein Trend ist jedoch klar zu erkennen. Betrachtet man die Brandursachen genauer, zeigt sich, dass über alle Fahrzeuge (Verbrenner und E-Auto) die Elektrik die Hauptbrandursache ist. „Hier können Kurzschlüsse im Kabelbaum auftreten, die zum Beispiel durch Marderbisse oder Unfälle ausgelöst werden“, so Maiworm. „So beobachten wir immer wieder, dass bei brennenden E-Fahrzeugen nicht die Batterie die Brandursache ist. Aber noch viel wichtiger ist der Umstand, dass die Batterie oft nicht mit in Brand geraten ist.“ Viele Fahrakkus sind von den Herstellern mittlerweile so stark vom Fahrzeug abgeschirmt, dass bei einem Kurzschluss in der Elektrik viel eher die zahlreichen Kunststoffe und Isolationsmaterialien brennen, als der Fahrakku selbst.

Höhere Brandlast

Doch genau hier liegt nach Brandexperte Maiworm die Gefahr. „Die heutigen Autos sind sehr viel größer als noch vor 20 Jahren und haben daher auch eine höhere Brandlast, alleine schon wegen der zahlreicheren Materialien. Und das gilt gleichermaßen sowohl für E-Autos, als auch für Verbrenner-Fahrzeuge.“ Hinzu kommt, dass die Baubreite der Fahrzeuge zugenommen hat. So berichtet Maiworm, dass noch vor 20 Jahren, wenn die Feuerwehr zu einem Fahrzeugbrand gekommen ist, meist ein Fahrzeug in Vollbrand stand und die jeweils beiden daneben geparkten Fahrzeuge gerade begonnen haben, zu brennen. Heute hingegen stehen wegen der dicht geparkten Fahrzeuge meist fünf Fahrzeuge in Vollbrand – und das unabhängig von der Antriebsart. Das bedeutet auch, dass die Brandleistung von ehemals drei bis fünf Megawatt auf sieben bis neun Megawatt angestiegen ist. Mit den verbauten Kunststoffen sind die Brände auch sehr viel heißer geworden. „Das liegt vor allem am größeren Volumen und an der höheren Brandlastdichte“, so Maiworm. „Brennt ein SUV in der Tiefgarage in der Nähe einer Stahlstütze, kann daher der Stahl durchaus weich werden, da Temperaturen größer als 550° C leicht erreicht werden.“ Deshalb hat sich Maiworm in den letzten Jahren dafür eingesetzt, dass die Garagenverordnung diesen neuen Gegebenheiten angepasst wurde. Hier ging es vor allem um bauliche Maßnahmen, die die Brandsicherheit der Garagen erhöhen. Ein Einfahrverbot für E-Fahrzeuge in Tiefgaragen existiert jedoch nicht in Deutschland. „Das Einfahrverbot für E-Fahrzeuge in Tiefgaragen ist daher eine dieser Mär, die sich hartnäckig in Deutschland hält, obwohl es von Seiten des Gesetzgebers nicht existiert“, so Maiworm. „Jedoch können Garagenbesitzer selbst festlegen, wer in die Tiefgarage fahren darf und wer nicht. Dann müsste man aber ausnahmslos jedem Fahrzeug heute die Einfahrt verbieten.“ Neu ist aber in der Garagenverordnung, dass Mittel- und Hochspannungsleitungen, die zum Beispiel für leistungsstarke Ladesäulen benötigt werden, keinesfalls mehr auf Putz in großen Tiefgaragen verlegt werden dürfen. Sie würden im Brandfall sonst für die Feuerwehr- und Rettungseinsatzkräfte eine zu große Gefahr darstellen. Für 220-Volt-Leitungen in privaten Garagen gilt dies jedoch nicht.

20 Minuten dauert ein Löschvorgang

Brennt der Fahrakku des E-Fahrzeugs dauert der Löschvorgang, wenn es richtig gemacht wird, rund 20 Minuten. Wichtig ist hierbei, dass man die Geduld hat, die Batterie durchreagieren zu lassen, so dass das Batteriegehäuse weggeschmolzen ist. Nur dann erreicht man mit dem Löschwasser das Batterie-Innere, um es abkühlen zu können. „Das E-Fahrzeug ist, wenn es brennt, bereits Schrott“, so Maiworm. „Es kann nicht mehr gerettet werden. Viel wichtiger ist es daher, die Umgebung zu sichern und gegebenenfalls abzukühlen, damit sich der Brand nicht ausdehnt.“ Unsinnig ist es nach Ansicht des erfahrenen Brandexperten aber, mit einer sogenannten Löschlanze in die Batterie zu stechen, um in ihr Inneres Löschwasser zu injizieren. Damit würden nur zusätzlich Kurzschlüsse in den Zellen, wie etliche Versuche der Feuerwehr in München gezeigt haben, ausgelöst, ohne effektiv zur Brandbekämpfung etwas beizutragen. Auch erübrigt es sich, das brennende E-Fahrzeug in einem mit Wasser gefüllten Container zu versenken. „Dies lässt sich einerseits an vielen Löschorten nicht praktizieren – denken Sie hier an Tiefgaragen – andererseits produziert man eine Unmenge kontaminiertes Löschwasser, das hinterher mühsam und teuer entsorgt werden muss“, weiß Maiworm. „Zudem erreicht das Wasser oftmals nicht das Innere der Batterie. Dies geschieht erst, wenn das Gehäuse durchgeschmolzen ist. Deshalb lässt man lieber das Fahrzeug kontrolliert abbrennen und weiß dann hinterher, dass der Brand wirklich gelöscht ist.“ Hinzu kommt, dass oft Fahrzeuge, die nicht gebrannt haben, in Containern versenkt wurden. Wie Maiworm hinweist, werden so Werte vernichtet, die vor dieser Maßnahme noch rettbar gewesen wären.

Geringe Gefahr für elektrischen Schlag bei Löschung

Die Gefahr, bei Löscharbeiten an einem E-Fahrzeug einen elektrischen Schlag zu bekommen, ist nahezu null. Der Berufsfeuerwehr München und ihren Brandexperten ist bis heute weltweit kein einziger Fall bekannt geworden, wo während Löscharbeiten an einem E-Fahrzeug ein Feuerwehrmann einen elektrischen Schlag erlitten hat. Hier kommen entweder die Schutzeinrichtungen im E-Fahrzeug zum Tragen – so wird die elektrische Verbindung vom Fahrakku zum Fahrzeug bei Auslösen des Airbags automatisch getrennt – oder der elektrische Kreis ist nicht geschlossen. Zudem sind heute die starkstromführenden Kabel so stark isoliert, dass selbst bei Löscharbeiten, die unfachmännisch ausgeführt werden, keine Gefahr des Stromschlages besteht. „Die Diskussion erinnert mich an die, als vor einigen Jahren die Photovoltaik-Anlagen als große Gefahr bei Löscharbeiten an Häusern gesehen wurden“, so Maiworm. „Hier ist man heute, auch aus der Erfahrung heraus, völlig anderer Meinung und sieht darin keine Gefahr mehr für Einsatz- oder Rettungskräfte.“ Wer es genau wissen möchte, wie man sich bei einem Brand von einer elektrischen Anlage (dazu zählen auch E-Autos) verhalten muss, kann die in der DIN VDE 0132, „Brandbekämpfung und technische Hilfeleistung im Bereich elektrischer Anlagen“, gegebenen Hinweise nachlesen. Diese DIN kann als eine der wenigen überhaupt kostenfrei auf www.normenbibliothek.de (hier Demo-Zugang) heruntergeladen werden. Hier erfahren Löscheinsatzkräfte, aber auch alle, die sich von Berufs wegen darüber informieren müssen, jedwede Verhaltensmaßnahme bei E-Anlagen-Bränden.

Dennoch möchte die Berufsfeuerwehr München die Risiken eines E-Fahrzeug-Brandes nicht herunterspielen, denn wenn Lithium-Akkus in Brand geraten, ist die Brandreaktion sehr heftig bis hin zu Verpuffungen. Zudem herrschen sehr hohe Temperaturen. Die Brandentwicklung ist jedoch durchaus vergleichbar mit der eines Benzinbrandes. Also in dieser Hinsicht nichts Neues für Feuerwehren. Zu beachten ist jedoch weiter, dass auf chemischer Ebene Flusssäure (eher wenig) und giftige und brennbare Gase entstehen können. Doch auch bei Bränden von konventionellen Fahrzeugen können diese Gifte entstehen, vor allem wenn das Kältemittel R1234yf in Brand gerät. Einzig: Es kann immer wieder zu zeitverzögerten Brandreaktionen der Lithium-Batterie kommen.

Doch weshalb brennen Lithium-Akkus so heftig, wenn sie in Brand geraten? „Sie bestehen aus Kohlenstoff (Graphit), Sauerstoff in Form von Kobaltoxid und einem brennbaren Elektolyten. Als Zündquelle dient der Strom“, so Maiworm. „Damit vereint die Lithium-Batterie alle drei Dinge in sich, die man allgemein als „Verbrennungsdreieck“ kennt. Deshalb wird es gefährlich, wenn in der Batterie, beispielsweise durch Stoß, Hitze aber auch durch Überladung der sogenannte Separator beschädigt wird. Dann kann die Batterie „durchgehen“ und sich selbst (immer wieder) entzünden.“ Dies geschieht bei brennenden Batterien meist bei Temperaturen von 800° C und höher. Da der Batterie keines dieser drei Ecken des Verbrennungsdreiecks durch Löschmittel direkt genommen werden kann, muss sie durch Löschwasser vor allem gekühlt werden, bis die Reaktion nachlässt. Idealerweise wird hierzu die Batterie kontinuierlich von oben mit Wasser besprüht und die Temperatur immer wieder gemessen. Dies wird fortgesetzt, bis die Reaktion vollständig zur Ruhe gekommen ist. Unter 80° C gilt als sicherer Zustand. 

Ähnliche Artikel

Paul Englert
“Reifen sind das Wichtigste an einem Auto”
Paul Englert über Grenzbereiche und Reifentests
Prof. Benedikt Maier
Werkstattgeschäft der Zukunft
Prof. Benedikt Maier zur Zukunftswerkstatt 4.0
Pascal Klein Pyrum
Mehr Kreislaufwirtschaft wagen
Abfallrecycling à la Pyrum
Pascal Klein
Wie bei Pyrum aus Altreifen wieder neue Produkte werden
Feature – CEO Pascal Klein im Podcast-Interview